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An Nikolaus Meyer

Sie haben uns, werther Herr Doctor, abermals in den Fall gesetzt für manches Überschickte zu danken, und ich kann versichern, daß wir mehrmals bey den trefflichen Fischen und dem köstlichen Wein vergangener guter Stunden mit Neigung und Freundschaft gedenken.

Wie sehr hatte ich gewünscht Ihnen etwas von unsern mittelländischen gebürgischen Producten zuzuschicken! wenigstens wollen wir nicht vergessen Ihnen, wenn etwas leibliches oder geistiges, angenehmes und transportables vorkommt, davon Theil zu geben. Durch die kleinen, gelegentlichen Producte Ihrer Muse haben Sie auch auf eine freundliche Weise Ihr Andenken erneuert. Die Werbung (ich würde lieber Bewerbung gesagt haben) ist eine recht artige Variation von Was wir bringen und, so viel ich beurtheilen kann, dem Local gut angepaßt.

Nur würde ich rathen, da die Poesie ohnehin von Ihren guten Landsleuten einigermaßen abstehen mag, den Eingang dieser edlen Kunst nicht durch difficile Sylbenmaße zu erschweren. Zwar sind Sie in Stanzen, Sonetten, Terzinen und dergleichen gewandt genug, doch können Sie bey oft wiedergefordertem gleichem Reim den uneigentlichen Ausdrucken nicht [183] entgehen, wodurch zwar manchmal eine schöne Wendung gelingt, aber auch oft der Vers dunkel und schielend wird, das ein ungeübtes Publikum irre macht, und ein geübtes nicht befriedigt; deshalb rathe ich die leichtesten und freyesten Versarten bey solchen Gelegenheiten zu gebrauchen und sich der schwerern nur als Würze zu bedienen.

Verzeihen Sie mir diese vielleicht etwas pedantische Bemerkungen und haben die Güte beyliegendes Blättchen Herrn Doctor Roth zu Vegesack zu communiciren und mir deshalb, bald möglichst, eine Gegenerklärung zu verschaffen. Hoffentlich wird noch vor Abgang der Post eine kleine Beylage aus meinem Hause fertig, wodurch Sie von unsern Winterzuständen und Lustbarkeiten einige Nachrichten erhalten.

Der ich recht wohl zu leben und glücklichen Erfolg Ihrer Thätigkeit wünsche.

Weimar am 7. Febr. 1803.

Goethe.


[Beilage.]


Durch den Tod unsers verdienstvollen Batsch ist das neue botanische Institut, in Jena, verwaist. Die Nothwendigkeit ein solches anzulegen entsprang aus der sehr beschränkten Lage des alten botanischen Gartens und andern akademischen Verhältnissen. Der obere Theil des Schloßgartens ist dazu eingerichtet, dessen schöne Lage Sie kennen. Das Haus ist nach[184] alter Weise gebaut; aber für eine nicht allzugroße Familie geräumig und bequem, wie Ihnen dieses alles wohl selbst genugsam bekannt ist.

Nun haben wir, um den an dem Prof. Batsch erlittenen Verlust zu ersetzen, die Augen auf Herrn Doctor Roth in Vegesack geworfen, dessen schöne Einsichten in die Botanik uns durch den allgemeinen Ruf, mehr noch durch seine Schriften bekannt geworden und für welchen, außer dem Zeugniß eines trefflichen Charakters, noch der Umstand besonders einnimmt, daß er, als Privatmann, sich selbst einen Garten zu solchen Zwecken angelegt, woraus sich folgern läßt, daß ihm der praktische und technische Theil der Gartenkunst nicht fremd sey.

Auch ist unser Institut von der Art, daß ein Mann, der durch seine Kenntnisse und Persönlichkeit, mit wenigem, viel zu thun weiß, für dasselbe eigentlich zu wünschen ist.

Dieses Institut hängt blos von dem hiesigen Hofe ab und steht, in so fern, mit der Akademie in keinem Zusammenhang. Dem Vorsteher desselben würde man den Titel eines Professors der Philosophie, wie ihn der selige Batsch gehabt hat, verschaffen.

Zugleich bietet man 200 rh. Besoldung und freye Wohnung an.

Überdem erhält derselbe 200 rh. auf Berechnung, wovon die ordinären Ausgaben für den Garten zu bestreiten sind, worunter auch das Tractament für [185] einen geschickten jungen Burschen, der dabey angestellt ist, sich begriffen findet und dafür, nebst einigen Tagelöhnern, die nöthige Handarbeit verrichtet.

Wollten Sie nun, werthester Herr Doctor, jedoch im Vertrauen und in der Stille, Herrn Doctor Roth zu sondiren die Gefälligkeit haben, und, wenn er nicht abgeneigt wäre, zugleich die Frage an ihn ergehen lassen ob er wohl zu rechter Zeit bey uns eintreffen könnte um diesen Sommer Vorlesungen zu halten, worauf ich mir die Freyheit nehmen werde Sie, sobald als möglich, von dem endlichen Beschluß zu benachrichtigen.

Ein einziges habe ich noch hinzu zu fügen, worüber Herr Doctor Roth gefällig mit sich selbst zu Rathe gehen wird: ob er sich nämlich ein Lehrtalent zutraut, theils in Absicht auf Communication seiner Kenntnisse überhaupt, theils in Absicht eines Kathedervortrags. Denn hierdurch werden sowohl vorzüglich die akademischen Zwecke, welche wir im Auge haben, erfüllt, als auch diese Stelle für den der sie bekleidet nutzbar und ehrenvoll.

Der ich recht wohl zu leben wünsche.

Weimar den 7. Febr. 1803.

Goethe. [186]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1803. An Nikolaus Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9603-1