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An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

Es war wirklich, theuerster Herr und Freund, ein sehr glücklicher Gedanke: durch einen geschickten Künstler [76] Ihre ernst-heitere Wohnung und die unschätzbare Gegend abbilden und vervielfältigen zu lassen; es kann uns nichts Freudigeres und mehr ermunterndes begegnen, als wenn wir, zugleich mit guten und herzlichen Worten, auch ein vorzügliches Lokal erblicken, wo Sie behaglich verweilen, wo Sie an uns denken, woher Sie Ihre Schreiben an uns richten. es entsteht daraus eine gewisse Unmittelbarkeit des Zusammenseyns welche höchst reizen ist.

Indem ich mich also mit Ihnen mich in Ihrer liebenswürdigen Umgebung erfreue, sage, jedoch nur mit dem Wenigsten, daß ich diese gute Jahrszeit über Ihren Wunsch vor Augen haben werde. zwar sind meine Papiere in guter Ordnung, doch bedarf es warmer Tage und ruhiger Stunden um das allenfalls Gewünschte herauszufinden. Die Aufsätze Ihres Herrn Bruders, dessen Andenken uns immer lieb und werth bleiben muß, sind wohl verwahrt, sollen aufgesucht und baldigst gesendet werden.

Daß Sie meinen wahrhaft geehrt Manzoni Ihre Aufmerksamkeit in dem Grade gewidmet, um von seinem vorzüglichen Adelchi eine sinn- und geschmackvolle Übersetzung zu liefern, freut mich gar sehr. Die wenigen Stellen, die ich in den ersten Augenblicken betrachten können, geben mir eine schöne Einleitung in das Ganze. Vielleicht findet Ihr Verleger Gelegenheit ein Exemplar über die Alpen ihm zuzuschaffen. Wollen Sie dabey meiner und meines Verhältnisses [77] zu ihm gedenken, so wird es ihm gewiß erheiternde Augenblicke verschaffen. Es ist leider nichts naturgemäßer, als daß ein schönes reiches Gemüth, nicht in voller Freyheit, des Lebens genieße.

Mehr sage ich nicht als nur den Wunsch: daß Sie und Ihre Frau Gemahlin, da Ihnen ein so erwünschter Sommeraufenthalt geworden, auch desselben, in aller Zufriedenheit, vollkommen genießen mögen, wobey ich mein und der Meinigen zu gedenken nicht vorerst zu bitten habe. Hier schließen aber wäre unrecht, wenn ich nicht vermeldete: daß mein Sohn, mit dem vorzüglich guten und braven Eckermann, nach Italien gegangen ist. Ihre Briefe aus Mailand melden wie wohl es ihnen geht.

Mich aber- und abermals zum allerschönsten empfehlend, auch in Heidelberg bey Freunden und Wissenschaftsgenossen meiner zu gedenken wünschend und bittend,

treu angehörig

Weimar den 28. May 1830.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Johann Friedrich Heinrich Schlosser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9634-4