[389] [71]22/6130.

An das Herzogl.S.-Weimarische Polizeicollegium

[Concept.]

[März.]

Ganz gehorsamstes Promemoria.

Nach der älteren, erst vor kurzem unter dem 26. Februar erneuerten Polizeyverordnung, welche den Herrschaften zur Pflicht macht, die Dienstboten nicht blos mit allgemeinen und unbedeutenden Attestaten [71] zu entlassen, sondern darin gewissenhaft ihr Gutes und ihre Mängel auseinanderzusetzen, habe ich der Charlotte Hoyer, welche als Köchinn bey mir in Diensten gestanden, als einer der boshaftesten und incorrigibelsten Personen, die mir je vorgekommen, ein wie die Beylage ausweist, freylich nicht sehr empfehlendes Zeugniß bey ihrem Abschiede eingehändigt.

Dieselbe hat sogleich ihre Tücke und Bosheit noch dadurch im Übermaaß bewiesen, daß sie das Blatt, worauf auch ihrer ersten Herrschaft Zeugniß gestanden, zerrissen und die Fetzen davon im Hause herumgestreut; welche zum unmittelbaren Beweis gleichfalls hier angefügt sind.

Ein solches gegen die Gesetze wie gegen die Herrschaften gleich respectwidriges Benehmen, wodurch die Absichten eines hohen Polizeycollegii sowohl, als der gute Wille der Einzelnen den vorhandenen Gesetzen und Anordnungen nachzukommen, fruchtlos gemacht werden, habe nicht verfehlen wollen, sogleich hiermit schuldigst anzuzeigen und die Ahndung einer solchen Verwegenheit einsichtsvollen Ermessen anheim zu geben; wobey ich noch zu erwähnen für nöthig erdachte, daß es sie die Absicht gedachter Hoyer war, in die Dienste des hiesigen Hofschauspieler Wolff zu treten.


[Beilage.]

Charlotte Hoyer hat zwey Jahre in meinem Hause gedient. Für eine Köchinn kann sie gelten, und ist [72] zu Zeiten folgsam, höflich sogar einschmeichelnd. Allein durch die Ungleichheit ihres Betragens hat sie sich zuletzt ganz unerträglich gemacht. Gewöhnlich beliebt es ihr nur nach eignem Willen zu handeln und zu kochen; sie zeigt sich widerspenstig, zudringlich, grob, und sucht diejenigen die ihr zu befehlen haben, auf alle Weise zu ermüden. Unruhig und tückisch verhetzt sie ihre Mitdienenden und macht ihnen, wenn sie nicht mit ihr halten, das Leben sauer. Außer andern verwandten Untugenden hat sie an den Thüren horcht. Welches alles man, nach der erneuten Polizeiverordnung, hiermit ohne Rückhalt bezeugen wollen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An das Herzogl.S.-Weimarische Polizeicollegium. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9638-B