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An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

Ew. Wohlgebornen,

Nach einiger Pause, die ich nicht entschuldigen will, mich Ihnen wieder einmal schriftlich zu nähern, halte für eine angenehme Schuldigkeit. Ich habe schon früher dankbar angezeigt, daß die Francofurtensia nach und nach angekommen sind, sowie ich denn auch den Goldgülden erhalten habe.

Die Gebrüder Ramann in Erfurt werden eine Assignation auf 100 Gulden vielleicht schon präsentirt haben. Was diejenige Summe betrifft, die mir nach der Schlußrechnung vom vorigen Jahre zu Gute bleibt, belieben dieselben, sowie auch die Ducaten bey sich aufzubewahren, bis ich gegen Ostern deshalb das weitre vermelde.

An Ihrem lieben und freundlichen Antheil an meinem biographischen Versuche habe ich nicht gezweifelt, da ich voraushoffen konnte, daß Sie ihn mit den Augen eines Freundes, Verwandten und Landesmannes ansehen würden. Ich Ihrem Herrn Bruder in Rom habe ich durch Reisende das Beste vernommen, sowie auch, daß unser Corneli und seine Arbeiten viel Sensation gemacht. Ich bin überzeugt, daß er seinen Au fenthalt trefflich nutzen wird.

[257] Gönnen Sie mir auch in diesem neuen Jahre Ihre freundschaftliche Theilnahme und ermüden nicht, das Geschäft meiner Vermögens-Verwaltung sowie bisher zu führen.

Herr von Weber ist auch bey uns angekommen. Ich hoffe seinen Fridolin zu hören. Madam Pollet aber hat sich nicht eingefunden.

Lassen Sie mich nun zum Schlusse für die gesendete Übersetzung des Iordanus Brunus danken. Dieser außerordentliche Mann ist mir niemals ganz fremd geworden; doch habe ich die Geschichte der mittleren Philosophie niemals so sorgfältig studiren können, um zu wisse wo er eigentlich hinaus will; warum er gegen gewisse Vorstellungen heftig streitet und auf gewisse Puncte so sehr bejahend appuyirt. Noch manches andere wie sie selbst wissen, seht dem Verständniß seiner Werke entgegen. Da Sie aber wahrscheinlich mehr übersetzt haben, so wünschte ich das 15. Capitel de Minimi existentia p. 94. Welches anfängt: Non minus hic falso fidei fundamine sensus Imbuit insanos, sowie den Schluß des Buches de Innumerabilibus et immenso, worin er sich selbst als einen er sich selbst als einen wilden Faun beschreibt (es fängt an: Sic non succifluis occurro poeta labellis) in Ihrer Übersetzung zu lesen. Wir haben ein Pröbchen davon gemacht, allein das es gelingen sollte, ist nicht zu hoffen, da wir weder Zeit noch Sammlung haben und uns auch die Übersicht des Ganzen mangelt, [258] welches doch in jedem einzelnen Theil wieder hervortritt. Sie werden sich dadurch das Verdienst machen, mich diesem wunderbaren Manne wieder näher gebracht zu haben.

Sollten Ihre Briefe noch etwas enthalten das mir vergessen ist, und worauf es einer Antwort bedürfte, so haben Sie die Gefälligkeit es zu erinnern und erhalten mir Ihre teure Freundschaft.

Eins noch fällt mir ein. Wäre es möglich mir ein Exemplar der ersten Jahrgänge der Frankfurter gelehrten Anzeigen, woran ich und Ihr Oheim vielen Antheil gehabt, zu verschaffen? Sie sind 1772 hergekommen und ich habe sie seit jenen Jahren nicht wiedergesehen.

Soeben bemerkte ich meinen oben begangenen Irrthum: es ist Herr von Weber aus München, sondern Kapellmeister Weber aus Berlin, der den Fridolin behandelt hat.

Und nun leben recht wohl, erhalten mir ein freundschaftliches Andenken und lassen bald wieder von sich hören.

Weimar den 1. Februar 1812.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Johann Friedrich Heinrich Schlosser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9677-C