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An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

Ew. Wohlgeb.

Könnten vielleicht lächeln, daß ich meine Briefe durchaus mir derselben Phrase anfange, es ist nämlich Dank, und immer wieder Dank, dessen Ausdruck ich nicht mehr zu variiren weiß.

[308] An den zwey mir übersendeten Bänden Frankfurter gelehrter Zeitungen erkenne ich wieder, wie nöthig mir sey, bey dem Unternehmen von meinen früheren Jahren zu sprechen, eine Sammlung von Documenten aus jener Epoche; denn außerdem möchte es bey dem aufrichtigsten Nachdenken schwer seyn zu imaginiren und sich wieder zu vergegenwärtigen, wie man gehaltlos, roh und ungebildet mehr werth könne gewesen seyn, als man sich gehaltvoll, ausgearbeitet und ausgebildet antrifft. Es war überhaupt jenes eine wundersame Epoche, selbst nur, wie uns diese zwey Bände einen Begriff davon geben.

Da sich nicht schon eine Folge von Studien über Jordanus Brunus bey Ihnen findet, und Sie nicht, wie ich vermuthete, in einer gewissen Lebensepoche Sich geübt und unterhalten haben, seine Werke stellenweis zu übersetzen; so will ich sie nicht besonders dazu aufgemuntert und angeregt haben. Was er uns hinterlassen, insoferne ich es kenne, reizt uns zwar ungemein, insofern wir streben uns eine originelle Bildung zu geben, denn es ist nicht leicht ein lebhafter Apostel der Originalität, der unmittelbaren Bildung aus und an der Natur. Allein ich müßte mich sehr irren, oder wir sind seit jener Zeit weiter, ja in eine Art von Natur gerückt, wo uns jene nicht mehr helfen und zusagen kann, besonders, da sie doch durch eine mystische Mathematik äußert verfinstert ist. Doch in solchen Dingen läßt sich kaum sprechen, [309] geschweige schreiben, weil man sich doch darüber nicht ganz ausreden kann.

Ihre Bemerkung wegen dem hohen Stand der Ducaten darf ich nicht unbenutzt lassen und bitte daher dasjenige, was sonst noch für mich in Casse ist in vollständige Preußische Louisd'or zu verwandeln und mir selbige nebst den vorräthigen Ducaten durch fahrende Post gefälligst zu übersenden.

Das große auf die ehemalige Frankfurter Amtsbesetzung sich beziehende, Manuscript werde vor meiner Abreise nach Carlsbad zurücksenden nicht verfehlen. Sollten Sie mir noch etwas zu berichten haben, so bitte ich, daß es vor Jublilate geschehe, weil ich wahrscheinlich bald nachher meine Reise antrete. Die meinigen grüßen auf das beste, ich füge meine Wünsche zu den ihrigen und empfehle mich zu freundschaftlicher Theilnahme und Andenken.

Weimar

den 31. März

Goethe.

1812.

T.s.v.p.


Ihre Briefe sind auf so schön velin Papier geschrieben, das uns hier abgeht. Wollten Sie mir wohl eine kleine Sendung, wohl eingepackt und vor aller Nässe, so wie vor Druck gesichert, baldigst zukommen lassen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Johann Friedrich Heinrich Schlosser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-96B8-9