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An Carl Ludwig von Knebel

Illmenau d. 17ten Apr. 82.

Die Erinnerung der guten Zeiten die wir vermischt mit bösen Stunden zusammen hier genossen treibt mich an, dir zu schreiben, besonders da ich weis, wenn ich nach Weimar zurückkomme drängt sich gleich eine Menge Sachen auf mich zu.

Seit Charfreytags habe ich einen weiten, und offt beschweerlichen Weeg über Gotha, Eisenach, Creutzburg, Gerstungen, Tiefenort, Barchfeld, Kaltennordheim, Ostheim, Meiningen und über den Thüringer Wald hierher gemacht, und viel gesehen und erfahren was mir Freude macht.

Du erinnerst dich noch mit welcher Sorgfalt und Leidenschafft ich die Gebürge durchstrich, und ich die Abwechslungen der Landsarten zu erkennen mir angelegen seyn lies. Das hab ich nun, wie auf einer Einmal eins Tafel, und weis von iedem Berg und ieder Flur Rechenschafft zu geben. Dieses Fundament läßt mich nun gar sicher auftreten, ich gehe weiter und sehe nun, zu was die Natur ferner diesen Boden benutzt und was der Mensch sich zu eigen macht. Ich kan dir versichern daß wenn ich mit Bätty umherreite, der keine Theorie hat, meine Theorie mit seiner richtigen Praxis immer übereinstimmt, worüber ich denn wie du dencken kannst grose Freude habe. So steig [311] ich durch alle Stände aufwärts, sehe den Bauersman der Erde das Nothdürftige abfordern, das doch auch ein behäglich auskommen wäre, wenn er nur für sich schwizte. Du weißt aber wenn die Blattläuse auf den Rosenzweigen sitzen und sich hübsch dick und grün gesogen haben, dann kommen die Ameisen und saugen ihnen den filtrirten Safft aus den Leibern. Und so gehts weiter, und wir habens so weit gebracht, daß oben immer in einem Tage mehr verzehrt wird, als unten in einem organisirt [darüber: beygebracht] werden kann.

ad alia.


Hier hast du eine Innschrifft aus dem Alterthum die man einem komischen Schauspieler aufs Grab sezte.


Pro iocis quibus cunctos

oblectabat

Si quid oblectamenti apud

vos est

manes insontes reficite

animulam.


Ich finde sie eben in meiner Brieftasche wieder, sie hat mich sehr gefreut.

Einige Tage hab ich mit den Gothischen, einige mit den Meinungischen Herrschafften zugebracht, und fühle mich recht glücklich daß ich an iedem Orte ohne Vorurteil leben und in einem richtigen Verhätniß, zu meinem, und der andern Vergnügen existiren kan.

[312] Schreibe mir balde, und werde nicht federfaul, wie es in der Entfernung gar leicht geschieht.

Wenn du meinen Mieting noch nicht hast; so soll gleich ein Exemplar abgehn wenn ich nach Weimar komme. Ich bin mir noch keiner so schönen Sensation bewußt, als dieses Gedicht in unserm Kreis gemacht hat, und wünsche daß es bey dir auch so anschlagen möge.

Schicke mir von deinem Virgil, du sollst auch alle die kleinen Sachen haben mit denen ich mir das Leben würze, ich bin nun auch in den Geschmack der Innschrifften [darüber: Epigramms] gekommen, und es werden bald die Steine zu reden anfangen.

Von Weimar weis ich wenig. Der Graf und die Gräfinn Brühl werden dir schon empfohlen seyn. Es wird ein neu Stück von Einsiedeln gespielt. Lebe wohl. Grüse deine liebe Schwester.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1782. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-96BA-5