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An Ernst Wolfgang Behrisch
Leipzig d. 20 Nov. 1767.
Einen launischen Abend Behrisch! Sollte ich ihn nicht anwenden an dich etwas zu schreiben. Morgen ist Brieftag. Ich bin heute schon Zwölf Stunden dumm. Dein Brief ist ein guter Brief, ich habe Hornen einige Nutzanwendungen daraus vorgelesen, und er meynt, wenn ich immer dem was du gesagt, gefolgt hätte, und immer dem was du schreibest folgte; so könnte ich einer von den glücklichsten Menschen werden. Ich fühle der Junge redet wahr und doch kann ich weder dir noch ihm folgen. Mittlerweile etwas zur Geschichte des Herzens. Wir haben oft geredet, warum sie mich lieben möchte? Wir haben viel Stolz in ihren Bewegursachen zu finden geglaubt, was meynst du daß folgende Bemerckung bewieße. Seit einiger Zeit da ich sie des Abends nicht sehen konnte hat sie mir zwar alle Zärtlichkeit bezeigt, ist unruhig gewesen wenn ich einmal des Nachmittags nicht kam; allein sie plagte mich mit gar keiner Eifersucht, mit keinem Zweifel, das hieß, die Heftigkeit der Liebe hatte gegen sonst viel nachgelassen. Seit 4 Wochen, da sich die Geschichte mit der Minna angesponnen[145] hat, da ich öftrer zu Obermanns zu Breitkopfs komme, ist das Feuer wieder mit aller Heftigkeit ausgebrochen. Eine Eifersucht die oft biß zur Wuht geht, ein Argwohn, ein Neid der biß dahin geht daß sie nicht erfahren darf daß ich eine Hand geküßt habe, macht sie und mich elend. Es ist wahr sie ist seit etlichen Tagen unendlich elend, und das Mitleiden das ich mit ihr habe macht daß ich soviel Geduld habe. Was meynst du Behrisch sollte es nicht bloser Stolz seyn, daß sie mich liebt. Es vergnügt sie einen stolzen Menschen wie ich bin an ihrem Fusschemel angekettet zu sehen. Sie hat weiter nicht auf ihn acht so lang er ruhig liegt, will er sich aber loßreisen, dann fällt er ihr erst wieder ein, ihre Liebe erwacht wieder mit der Aufmercksamkeit.
Sonnabends.
Der Brief muß heute fort und ich habe nicht grosen Trieb zum Schreiben. Apropos wenn du mein Schäferspiel sehen solltest, du würdest es nicht mehr kennen, es sind nicht hundert Verse stehen geblieben, alles umgeschmolzen. Bald wird es ganz performirt seyn. Ich habe ein neues Lustspiel angefangen, der Tugendspiegel betittelt, in einem Ackt in Prosa.
Minna von Barnhelm ist zweymal auf dem Kochischen Theater seit ehe vorgestern aufgeführet worden, und hat sich fürtrefflich ausgenommen. Ich habe [146] einen Brief von meiner Schwester gekriegt davon ich dir nächstens ein excerptum schicken will, er enthält wieder ganz sonderbaare Dinge.
Mein Mädgen ist mit der Breitkopfen bekannt geworden, und haben einander sehr lieb gewonnen. Das närrischte ist die Art womit mir die Breitkopf erklärte daß sie Annetten gut wäre. Ich will dir sie erzälen. An einem Abende da ich bey Breitkopfs war schien sie mir etwas zu sagen zu haben, woran sie die Gegenwart der Brüder hinderte, ich schaffte sie fort, und sie fing mit etwas Verwirrung an: »Ich habe bemerckt, daß Sie immer schlimm and niemals gut von Frauenzimmern geredet haben«. Ich verteidigte mich mit launischen Einfällen, doch sie fuhr fort: »Das hat mich auf die Gedancken gebracht daß Sie gar kein gutes Mädgen kennten; allein ich binn überzeugt daß Sie welche kennen«. Ich fuhr in meinem ersten Tone fort, und wir wurden unterbrochen. Beym Abschied kriegte sie mich bey der Hand und zog mich bey Seite. »Ich habe Ihnen einen Auftrag zu geben«, sagte sie »wollen Sie ihn ausrichten« – »Recht gerne – nun so sagen Sie Mdll. Schönkopf daß ich sie recht herzlich liebe, und daß ich recht böß auf Sie binn, daß Sie mir nie ein Wort gesagt haben was für ein liebenswürdiges Frauenzimmer sie ist –«
Ich ging. Adieu. Was denckst du hiervon. O ich hätte dir noch viel zu sagen.
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