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An Johann Heinrich Meyer

Ich wünschte wohl, mein Theuerster, daß Sie wie Freund Zelter, welcher sich gegenwärtig in München befindet, ein Tagebuch gehalten und mir gesendet hätten. Denn gerade durch dieses Beyspiel ist mein Verlangen, zu Wissen, wie es Ihnen geht, gar sehr gesteigert worden. Setzen Sie mich davon, und wenn auch nur lakonisch, in einige Kenntniß. Dieses will ich besonders verdienen dadurch, daß ich vermelde, daß die Frau Erbgroßherzogin, höchst zufrieden mit ihrer Cur, von Carlsbad zurückgekommen, so wie kurz vorher unser Soret, wirklich auch in bedeutend besserm Zustande als er abreis'te.

Mir ist es auch diese Zeit her ganz wohl gegangen. Ein junger hessischer Künstler, namens Zahn, brachte die neustausgegrabenen Bilder aus Pompeji sogar im Großen durchgezeichnet: Hercules und Telephus, ein älteres, mein Favoritbild, ganz unschätzbar, in wirklicher Größe, auch eine kleine Copie in Öl, in einer ernsten Farbe, sie sey nun ursprünglich oder der braunrothe Hercules habe nachgedunkelt.

Das Opfer der Iphigenie in wirklicher Größe ist eben so hoch zu schätzen, und manches andere, besonders Kinder auf Delphinen u.s.w., Candelaber aus den Wanddecorationen, an denen, wie in den großen Laubwerken, [92] eine Art von Ahnung der Metamorphose zu beobachten war. Das bunte Fries aus dem Tempel der Isis, über alle Begriffe anmuthig; das große Wandgemählde dorther, eine gräcifirende Parodie in's Schöne von Isis, Osiris, Typhon, Horus und dergleichen. Sodann viele Figuren in's Kleine gezeichnet, ein Reichthum aller Art. Die schönen Dinge, die wir Terniten schuldig sind, und was wir durch Gell, Gandy, Goro und sonst erfuhren, alles sehen wir dadurch vervollständigt und belebt. Das Velociferische des Jahrhunderts verläugnet auch hier sich nicht.

Ich habe über dem Complex dieser Dinge nachgedacht, um in Kunst und Alterthum davon Rechenschaft zu geben; bis ich mit dem was meines Bereichs ist fertig werde, kommen Sie ja wohl zurück.

Herr Beuth hat mir vier Figuren aus der Apotheose des Homers gesendet; herrliche Dinge, welche zu neuer Betrachtung dieses wundersamen Kunstwerks aufrufen. In welche Zeit wäre es wohl zu setzen? Über die Darstellung glaube ich etwas Eignes, Neues gefunden zu haben.

Lieber ist glücklich von Dresden zurück und in das Eckzimmer bey Frau Rath Vulpius eingezogen; auch sind die letzten Bilder von Dresden angekommen, aber noch nicht eröffnet, und wird sich nach und nach alles zeigen und weisen, ich hoffe, zu Ihrer Zufriedenheit. Was die Schule betrifft, so geht sie mit neuen Vorschriften ihren alten Gang.

[93] Notiren Sie ja manches was zu Kunst und Alterthum brauchbar wäre. Riemer treibt mich. Er und Eckermann wollen eingreifen mehr als bisher; mit dem Druck soll ich nicht beschwert seyn u.s.f. Auf diese Weise ließe sich wohl aus Weihnachten noch ein Stück ausgeben. Unsere Freunde, deren wir viele haben, beklagen sich über den langsamen Gang; auch möchte mancher wo nicht gelobt, doch erwähnt seyn. Bringen oder senden Sie ja einen Beytrag.

Nun aber wünscht ich meinem Sohne eine Freude zu machen durch einige Fossilien aus der Schweiz und Umgegend. Sollte nicht bey soviel Naturlustigen sich ein Mineralienhändler in Zürich hervorgethan haben? Haben Sie die Güte, sich umzusehen und besonders etwas von Versteinerungen, welcher Art es auch sey, zu senden oder mitzubringen. Besonders wären einige schöne Fische von Öhningen am Bodensee, auch anderes dorther, denn es kommt vielerley daselbst vor, höchst willkommen. Jede Auslage ersetzte gern. Da mein Sohn auf dieses Fach passionirt ist und die vorhandene bedeutende Sammlung in der besten Ordnung hält, so mag ich ihm gern nachhelfen.

Sonst ist noch manches Gute zu Genuß und Besitz gekommen. Herr v. Reutern hat eine schöne kräftige Waldzeichnung zurückgelassen, ein merkwürdiges Bild von Carus drückt die ganze Romantik dem bewundernden Blick aus; so wie jener Hercules und Telephus vollkommen das Classische. Eine Durchzeichnung, [94] Telephus mit der Ziege, in wirklicher Größe, hat mir der freundliche, freundlich empfangene Zahn zurückgelassen. Auch diese einzelne Gruppe stellt das ganze Alterthum dar.

Die erfreuliche Ankunft Ihres lieben Schreibens vom 20ten Sept. habe nur noch Zeit danckbar anzuzeigen.

treuverbunden

Weimar d. 30. Sept. 1827.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-96C7-7