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An Wilhelm von Humboldt

[Concept.]

[14. März.]

Der Februar ist vorbeygegangen, ohne daß ich einen Brief an Sie abgelassen hätte. Mein Anhang zum Cellini und dessen schließliche Redaction hat mir noch viel zu schaffen gemacht. Einige Parthieen davon, hoffe ich, sollen Sie mit Vergnügen lesen. Diese Arbeit wäre ich nun los, und gleich rückt schon wieder manches andere an.

Doctor Chladni war vor einiger Zeit hier. Durch ein abermals neuerfundnes Instrument introducirt er sich bey der Welt und macht sich seine Reise bezahlt; denn bey seinen übrigen Verdiensten um die Akustik könnte er zu Hause sitzen, lange weilen und darben. In einem Quartbande hat er diesen Theil der Physik recht brav, vollständig und gut geordnet abgehandelt. Wenn man sich nach einem höhern Standpunkte umsieht, wo das Hören, mit seinen Bedingungen, als ein Zweig einer lebendigen Organisation [197] erschiene; so ist es jetzt eher möglich dahin zu gelangen, weil eine solche Vorarbeit gemacht ist, die dann freylich, von den Nachfolgern, noch tüchtig durchgeknetet werden muß.

Die von ihm entdeckten Figuren, welche auf einer, mit dem Fiedelbogen, gestrichnen Glastafel entstehen, hab ich die Zeit auch wieder versucht. Es läßt sich daran sehr hübsch anschaulich machen, was das einfachste Gegebene, unter wenig veränderten Bedingungen, für manchfaltige Erscheinungen hervorbringe.

Nach meiner Einsicht liegt kein ander Geheimniß hinter diesen wirklich sehr auffallenden Phänomenen.

Für das Gehör, im höhern Sinne, hat indessen auch unser wackrer Zelter gesorgt, der durch Compositionen einiger Lieder, von Schiller und mir, unsre Winterstunden sehr erheitert hat. Er trifft den Charakter eines solchen, in gleichen Strophen, wiederkehrenden Ganzen trefflich, so daß es in jedem einzelnen Theile wieder gefühlet wird, da wo andere, durch ein sogenanntes Durchcomponiren, den Eindruck des Ganzen durch vordringende Einzelnheiten zerstören.

Er hatte uns Hoffnung gemacht diesen Winter zu kommen; ist aber abgehalten worden, wodurch ich, für Genuß, Belehrung und Beyhülfe, sehr viel verliere.

Wie langsam die Posten gehen, können Sie daraus sehen, daß ich Ihren Brief vom 28. Januar erst heute den 4. März erhalte. Sonst gingen sie nicht länger als 16 Tage.

[198] Seyn Sie mir, auf dem Berge der Dreyfaltigkeit, gegrüßt! wo ich selbst so oft hin und wieder wandelte.

Dank für die Nachricht von Künstlern und Kunstwesen. Ich hefte Ihre Briefe besonders zusammen, fahren Sie also ja fort, mich mit den dortigen Zuständen bekannt zu machen, damit ich nach und nach zur ganzen Einsicht gelange.

Zu dem glücklichen Zusammentreffen mit Fernow wünsche ich Ihnen beyden Glück, so wie, daß es von einiger Dauer seyn möge. In welchen seltsamen Conflict Fernow in Deutschland, besonders in Jena kommen wird, davon haben Sie selbst, ob Sie gleich vor kurzem in diese Complicationen hineingeschaut haben, keinen Begriff. Die ganze deutsche Masse, der, ich will nicht sagen Theoretisirenden, wenigstens Didacktisirenden, vom Gründlichsten biß zum Flächsten, trennt sich in zwey Haupttheile, die leicht zu unterscheiden sind, deren Untertrennungen aber, in einem ewigen Wechsel des Anziehens und Abstoßens durch einander gehen, so daß man beym Erwachen Morgens den als Widersacher antrifft, von dessen Theilnahme und Neigung beruhigt man gestern Abend zu Bette ging.

Ich habe den besten Willen gegen Fernow, aber es hängt keinesweges von uns ab, zusammen in gutem Verhältniß zu bleiben. Weil alle die Haufen klein sind, in die sich die Parteien trennen, so ist es ein ewiges Hetzen, Werben, Compromittiren, wobey niemand gewinnt, als die die nichts zu verlieren haben.

[199] Gesegnet also der auf dem Berge der Dreyfaltigkeit wohnet! und den solche absurde Bewegungen nicht anwehen.

Sollte Fernow noch reisen, so lassen Sie mir ihn allerley antiquarische Kleinigkeiten mitbringen, um die schon gebeten habe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1803. An Wilhelm von Humboldt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-96CE-A