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An Ernst Wolfgang Behrisch
Leipzig d. 7. Nov. 67.
Es ist schon sechs, und um 7 geht die Post, aber ich muß dir schreiben. Liebster, es ist Sonnabend und wenn ich nicht schriebe, könntest du dencken mein Fall wäre gefährlicher gewesen als er ist. Ich binn ganz wiederhergestellt, und ich hoffe nicht daß es etwa heimliche Folgen möge gehabt haben. Eine Uhr steht oft nicht gleich stille, trenn wir sie fallen lassen, nach einem halben Jahre bemercken wir manchmal Unrichtigkeiten deren Grund wir nicht einzusehen wissen und – Das sind traurige Betrachtungen, die ich nie, [131] und am wenigsten jetzt machen sollte, da ich komme das größte Glück gehabt zu haben, daß sich ein Mensch von meiner, von Unsrer Empfindung wünschen kann. Ja Behrisch ich habe meine Jetty eine Halbestunde ruhig, ohne Zeugen unterhalten, ein Glück daß ich jetzt manchmal genieße, sonst nie genoß. Diese Hand die jetzt das Papier berührt um dir zu schreiben, diese glückliche Hand drückte sie an meine Brust. O Behrisch es ist Gift in denen Küssen! Warum müssen sie so süse seyn! Sieh' diese Seeligkeit habe ich dir zu dancken. Dir! Deinem Raht, deinen Anschlägen. So eine Stunde! Was sind tausend von den runzlichten, todten, mürrischen Abenden gegen sie? Und diese Stunde bin ich dir schuldig, ich wüßte niemanden dem ich sie lieber schuldig wäre als dir. Gott seegne dich! Ich bete oft für dich wenn ich im Himmel binn, dort binn ich, wenn sie mich in ihren Armen hält. Ich sage mir oft: wenn sie nun deine wäre, und niemand als der Tod dir sie streitig machen, dir ihre Umarmung verwehren könnte? Sage dir was ich da fühle, was ich alles herumdencke – und wenn ich am Ende bin; so bitte ich Gott, sie mir nicht zu geben. Ist je ein Gebet erhört worden, so wirds dieses, und die Erfüllung brauchte – pfuy das ist ein häßlicher gotteslästerlicher Gedancke, ein Gedancke, der das Gebet zu verdrängen gerichtet ist. So geht's im Glück, so lange das mit uns hält, so lange halten wir selten mit unserm Herregott.
[132] Sieht wie ich ernsthaft geworden binn. Das arrivirt mir oft. Ich habe dir viel über meinen Seelen Zustand zu schreiben, nur jetzt nicht, die Zeit ist zu kurz. Ad varia. Hr. Avenarius hat sich in einem Briefe deiner erinnert und läßt dir es vermelden. Ich bin bey Fritzgen gewesen, die ganz eingezogen geworden ist. So sittsam, so tugendhaft. Ich wette sie verliebt sich in mich, wenn ich noch etlichemal herauskomme faute de quelque chose de mieux. Sie ist abscheulich erber,erber im eigentlichen Verstande. Kein nackend Hälsgen mehr, nicht mehr ohne Schnürbrust, daß es mir ordentlich lächerlich tuht. Sie ist manchmal Sontags alleine zu Hause. Vierzehn Tage Vorbereitung und so ein Sontag sollten die Erberkeit von dem Schlosse wegjagen, und wenn zehen solche Injenieurs zehen solche Halbejahre an der Befestigung gearbeitet hätten. Würcklich Avenarius hat sie etwas besser gemacht das muß ich ihm nachsagen. Könnte ich's aber nur ungestraft tuhn und stünden im Brühle nicht manche Nägel und Stricke parat, wann man so was erführe, so würde ich die affaire des Teufels übernehmen, und das gute Werck zu nichte machen. Kennst du mich in diesem Tone Behrisch? Es ist der Ton eines siegenden iungen Herrn. Und der Ton, und ich zusammen! Es ist komisch. Aber ohne zu schwören ich unterstehe mich schon ein Mädgen zu verf – wie Teufel soll ich's nennen. Genug Monsieur, alles was sie von dem gelehrichsten und fleißigsten ihrer Schüler erwarten können.
[133] Ich finde bey der Durchlesung den Schluß meines Briefes sehr toll. Ich habe nicht Zeit noch ein Blatt zu nehmen. Gute Nacht.