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An die Großherzogin Maria Paulowna

Durchlauchtigste Erbgrosherzoginn,
gnädigste Fürstinn und Frau.

Eine Epoche vorbey zu lassen wo Höchst-Denenselben man, ohne zudringlich zu scheinen, aus der Entfernung aufwarten darf möchte wohl nicht zu verantworten seyn. Geneigt werde daher gegenwärtiges Blat aufgenommen, das nur schwache Andeutungen zusammenfaßt dessen was wir treuen Zurückgebliebnen seit Höchst-Ihro Abreise andaurend empfinden und immerfort besprechen.

Wir vergegenwärtigen uns gern die glückliche Vereinigung des Höchsten Familienkreises und betrachten mit Ehrfurcht die ernste Freude der erhabenen Eltern [115] an den Hoffnungsvollen Erzeugten, welche glücklich einer stetigen Fortbildung genießen, indem sie den Gang des bisherigen Unterrichts ununterbrochen verfolgen und zugleich zu den großen Ansichten eines gränzenlos ausgebreiteten Reichs und aller Schätze der Hauptstadt hingeführt werden.

Wie schmerzlich wir dagegen an dem großen Unheil das jene einzige Stadt betroffen immerfort Antheil nehmen bedarf kaum einiger Erwähnung geschweige umständlicher Versicherung; aber das ist mit Kraft auszusprechen: daß es eine tröstliche Erscheinung sey die große unübersehbare Nation zu erblicken, die sich ihres allerhöchsten Herrschers in einem so unerwarteten Fall durchaus vollkommen werth erwiesen, wodurch uns denn auch eine wunderwürdige schnelle Wiederherstellung schon verkündet und eine sichere fernere Ausführung mitgetheilt wird.

Wend ich nun endlich meine Blicke auf die nächste Nähe, so kann ich nicht anders als mit vielem Vergnügen melden: wie schön unser theurer Prinz in allem Guten zunimmt und das Sittliche dem physischen auf jede Weise sich gleichstellt. Die sorgfältige und kluge Behandlung des werthen Soret wäre unnötig zu rühmen, so erfüllen nicht unterläßt. Ew. Kayserliche Hoheit sind gewiß von allem Einzelnen, aufs genauste regelmäßig unterrichtet. Wir andern aber haben danckbar anzuerkennen daß auch unsere Kinder von [116] einer sorgfältigen hohen Erziehung unmittelbaren Genuß und Vortheil gewinnen dürfen.

Übrigens wäre der Winter freudig hingegangen wenn uns nicht gewisse Zufälligkeiten einigemal Sorge um die Gesundheit unsres verehrten regierenden Paares gegeben hätten; worüber wir denn doch, nach Wunsch und Gebet aller treuen Angehörigen, glücklich hinweggehoben, abermals heitrer und guter Stunden zu genießen haben.

So begehen wir denn mit höchst erfreulichen Gefühlen die gedrängten Feste dieser Tage, wobey ich in meiner stillen Zurückgezogenheit die öffentliche Feyer treu theilnehmend begleite und nicht minder die Sehnsucht nach den Hohen Abwesenden in einem feinen Herzen bewahre.

Darf ich nun zum Schluß geziemend bitten: Allerhöchsten Orts vielleicht meiner zu gedencken, auch des Herrn Erbgroßherzogs und der theuren Prinzessinnen Hoheiten zu gnädigem Andencken mich zu empfehle; wobey ich denn Höchsteigene Gunst und Gnade mir auch für die Folge erbitten und bey zu hoffender glücklichen Rückkehr früheres wohlwollendes Vertrauen fortgesetzt und erneut, in Ergebenheit hoffen darf.

Verehrend, lebenslänglich angehörig und gewidmet

Ew. Kayserlichen Hoheit

unterthänigster

Weimar d. 14 Februar 1825.

J. W. v. Goethe. [117]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1825. An die Großherzogin Maria Paulowna. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-96EF-2