42/189.

An Peter Christian Wilhelm Beuth

[Concept.]

[13. Juni 1827.]

Ew. Hochwohlgeboren

werden hoffentlich meinem Wunsch gemäß beykommende Blätter freundlich aufnehmen; meine Absicht war bey dieser Mittheilung vollständiger und methodischer zu verfahren. Mannichfache Unterbrechungen und Zerstreuungen gaben ihnen dieß fragmentarische Ansehen, doch leuchtet mein entschiedenes Vertrauen auf die schönen Wirkungen Ihrer ununterbrochenen Thätigkeit daraus hervor. Denn ich wüßte nicht daß man jemals in solchem Grabe verstanden hätte die Forderungen der höheren Kunst mit denenjenigen zu verbinden, die gewöhnlich an das Gewerbe gemacht werden. Und was ist denn das letztere, wenn es nicht von der ersteren beseelt und begeistert wird?

In aufrichtiger hochachtungsvoller Anerkennung.


[219] [Beilage.]

... Vorstehendes gehört eigentlich zu einem Aufsatz über den Cyclops des Euripides, worin man darzuthun suchte daß in den Satyrspielen der Alten nicht sowohl um Karikiren und Erniedrigen höherer Naturen zu thun gewesen, sondern daß man vielmehr heroische Gestalten in solche Lagen versetzt, worin sie sich deplacirt gefühlt und in Gefahr gekommen lächerlich zu werden, wie denn wirklich in obgedachtem Spiele der verschlagene kunstgewandte Redner Ulysses gegen den plumpen Natursohn Polyphem sich gar komisch ausnimmt.

Indem ich aber Ew. Hochwohlgeboren diese Stelle mittheile, so ist die eigentliche Absicht Dieselben zu ersuchen durch Ihre geschickten vorschreitenden jungen Männer dergleichen Gegenstände in mäßig zierlicher Größe ausführen zu lassen, wie man sie irgend auf einer Standuhr oder sonst mit Behaglichkeit neben sich sähe.

Lassen Sie mich ferner einen vieljährigen Wunsch hier beybringen: Myrons Kuh auf diese Weise wieder hergestellt zu sehen. Das Edle im Thiergeschlecht hervorzuheben und im Sinne der höheren Natur darzustellen wie es die Alten gethan ist gewiß ein höchstlöbliches und fruchtbares Bestreben. Hiezu darf ich wohl meinen Aufsatz in Kunst und Alterthum Theil II, Heft 1 bescheidentlichst empfehlen. Auch im Allgemeinen genommen, wie hoch steht nicht die Kuh in[220] der großen Weltordnung, deshalb sie denn auch von den Indiern als übernatürlich, halbgöttlich anerkannt wird. Was wäre die ganze Vegetation, von der wir leben, ohne dieses Geschöpft und dessen Nachkommenschaft! Was wäre irgend eine Hauswirtschaft, von der höchsten zur niedrigsten, ohne die schmackhaft reichliche Nahrung die uns auf diesem Weg organisch bereitet und so bequem dargereicht wird! Hätte man dem trefflichen Thaer zu seinem Feste ein würdigeres Geschenk aufstellen können als eine solche Bronze, auf deren Piedestal Ceres, Triptolem und alles was daraus folgt wäre gebildet gewesen?

Ich stelle mir eine, und zwar zum erstenmal, ein männliches Kalb säugende Kuh vor. Wie sehr würden auch schon die Studien hiezu einen jungen Künstler belohnen wenn er, mit Wahrheitslust und Liebe Adrians van der Velde, Pinsel und Nadel eines so trefflichen Künstlers durch die höheren Vortheile der plastischen Kunst noch zu überbieten Sinn und Geschick hätte.

Mögliche Veranlassung, Aufmunterung und Unterstützung hiezu sey ich vorzüglich in Ew. Hochwohlgeboren so thätig und sicher wirkendem Kreise. Verziehen sey mir meine Zudringlichkeit! Dieser Enthusiasmus für die Kunst, dieser Wunsch das Wünschenswerthe gebildet zu sehen erhält meinen spätern Tagen Licht und Wärme; daher ich mich so gern dahin wende wo mir die Möglichkeit einer thätigen Ausführung entgegen leuchtet.

[221] Für die übersendete Medaille und sonstiges Plastische sage meinen schönsten Dank; jene darf man vorzüglich gerathen heißen und zwar in jedem Sinne; Ähnlichkeit des Hauptbildes, glückliche Erfindung der Rückseite und Ausführung mit Geschmack und Leichtigkeit.

Darf ich nun noch einen Wunsch hinzufügen, welchen, wenn es ohne Unbequemlichkeit geschehen kann, geneigtest zu erfüllen bitte, es wäre ein Abguß der Terracotta Plate XXIV, Nr. 44: der junge Bacchus, in einer Wanne, von Faun und Bacchantin im heitersten Triumph einhergetragen. Dieß ist eine der antiken Darstellungen, deren Vollkommenheit mich immer verfolgt, seit ich sie aus Winckelmanns Monumenti inediti kenne; besonders aber da ich sie in dem englischen Werke so zierlich darstellt sehe, nun wächst meine Sehnsucht nach dem Originalbilde immer mehr. Verzeihung dieser Zudringlichkeit wiederholt erbittend.

[Weimar den 9. Juni 1827.]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Peter Christian Wilhelm Beuth. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9709-D