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An Johann Jacob von Willemer

Und so sind denn abermals zu meiner Beschämung die Boten des Herrn angekommen, die ich zwar freundlichst begrüße, den Gruß jedoch lieber an die Sendenden selbst wendete. Ich habe mit den lieben Freunden [284] mich bisher so oft in Gedanken unterhalten, daß ich selbst nicht mehr weiß was geschrieben ist und was in Geist und Herzen zurückblieb. Auch heute muß ich kurz seyn, denn der Aufenthalt in Weimar hat die wunderbare Eigenschaft, daß die Tage vorübergehen ohne sonderliche Spuren von sich übrig zu lassen. Man thut viel ohne es zu empfinden, weil man immer thut was man nicht will.

Die liebe nach Eisenach ziehende Jugend macht unsere Umgebung lebhaft und erregt besonders alle Frauenköpfe. Es ist keine die sich nicht hinsehnte und ich kann's ihnen nicht übel nehmen, denn es mögen hübsche Kerlchens dort zusammen kommen. Wir andern müssen ruhig bleiben und den Ausgang des Abenteuers abwarten.

Was soll ich nun aber zu der freundlichsten Einladung sagen, die mir weit lockender ist als diese Feste! und doch erinnert sie mich gerade an dasselbige Fest, welches ich zum erstenmal in der glücklichsten Umgebung feyerte. Was seit jener Epoche vorgegangen darf ich mir kaum zurückrufen und meinen gegenwärtigen Zustand nicht mit manchen schönen Tagen und Stunden zusammen halten. Denn ich bin in die irdischen unerfreulichen Zufälligkeiten verwickelt mehr als jemals. Von einem Geschäft das in Masse schlimm war, fühl ich mich, Gott sey Dank! befreyt, nun aber ergreifen mich andere, die im Detail keineswegs erfreulich sind und zusammen auch wieder Masse machen.

[285] Sie denken also leicht wie mir zu Muthe sey, wenn ich mich einen Augenblick an den heitern Fluß unter seine Anwohner versetze, im stillen Gartenstübchen der lebhaftesten Ufer gedenke. Davon muß ich denn also den Blick zurückziehen und aussinnen, was ich den Freunden Unterhaltendes und Angenehmes vorbringen könne, welche Beschäftigungen meine angenehmsten und freysten Stunden gewidmet sind. Und so muß ich nun mit dem lebhaftesten herzlichsten Dank schließen, für so wohlthätige Erinnerungen, die wenn sie auch nicht so angenehm erneuert würden, dennoch unauslöschlich bey mir seyn müßten. Nicht ohne sehnsüchtige Gefühle scheide ich von diesem Blatt, das, je länger ich dabey verweile, mich immer täuschender dahin versetzt, wohin ich nicht gelangen kann. Und in dem einzigen Sinne beneid ich diejenigen die nach Eisenach ziehen, nicht weil ich die dortigen Feier und Feuer zu schauen wünschte, sondern weil mir angelegen wäre, dieses Fest auf der herrlichen Zinne wieder zu begehen und die Flämmchen und Flammen des allgemeinen und besondern Wohlwollens am Horizont und in der Nähe auflodern zu sehen.

Weimar den 17. October 1817.


Nachschrift.

Und so wären denn die Feuer, am schönsten Abend, abermals abgebrannt und an dem freylich beschränkten Thüringer Horizont in ihrer Klarheit noch ganz [286] lustig beschaut worden; dem famosen Frankfurter Panorama doch nicht zu vergleichen. Selbst der Kupferstich mit den rothen Flämmchen scheint noch weiter und breiter zu seyn als die nordische Wirklichkeit. Wurde es abermals auf dem Mühlberg gefeyert, so waren wir gewiß im Geiste nah beysammen.

Nun will ich schließen und nur noch der schmackhaften, angenehmen Erdfrüchte gedenken, womit mich die liebe Nichte so reichlich erfreut hat.

Und so, mit Tausend Grüßen, das herzlichste Lebewohl!

Weimar d. 19. October 1817.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1817. An Johann Jacob von Willemer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-970E-3