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An Christian Gottfried Körner

Nachdem so manches Liebe und Gute, verehrter Freund, mir von Ihnen zugekommen, haben Sie durch die letzte Sendung eine ganz besondere Freude gemacht. Die beyden Stücke Ihres lieben Sohns zeugen von einem entschiedenen Talente, das aus einer glücklichen Jugendfülle mit Leichtigkeit und Freyheit, sehr gute und angenehme Sachen hervorbringt. Diese Stücke waren mir besonders in dem gegenwärtigen Augenblicke höchst erwünscht: denn nachdem wir ein herrliches Stück von Calderon, das Leben ein Traum, glücklich aufgeführt, so waren wir im Begriff auf den Sandbänken der neuesten dramatischen Litteratur zu stranden; durch diese freundliche Beyhülfe sind wir aber auch fürs Frühjahr flott.

Wir können die zwey Stücke besetzen, ohne daß ein Schauspieler in beyden vorkommt, wodurch sie zu gleicher Zeit eingelernt werden könne und jedes für sich wieder besonders abgerundet werden kann. Es freut mich, daß eben jene Heiterkeit der Jugend weder Gift noch Galle in diesen Productionen aufkommen läßt, sondern die Gegenstände so behandelt, als wenn sie in der moralischen und ästhetischen Welt abgeschlossen wären, ohne mit der politischen in Verbindung zu stehen.

[345] In der Angabe der Decorationen war ein Irrthum geschehen. Die beyden Zimmer nämlich waren nicht deutlich genug von einander gesondert. Ich sende daher die Angabe der Decorationen nach dem Sinne des Stücks; Sie werden die Güte haben solche mit der zurückhaltenden Abschrift zu vergleichen. Auch habe ich in der ersten Scene eine offene Halle an Hoango's Haus mit Durchsicht auf den Hof und das Thor angegeben, wo man die Geräthschaften jener industriosen Gegend, bedeutend und geschmackvoll vertheilen kann. Thüre und Fenster des Hauses gehen in diese Halle. Hiedurch wird der Anstoß gehoben den man daran nehmen könnte, daß acht bedeutende Scenen, bey dem gräßlichen Gewitter, unter freyem Himmel hervorgehen. Ich lasse eine Zeichnung nach meiner Angabe so eben verfertigen und sende Ihnen nächstens eine Copie.

Sonst hätte ich nichts an beyden Stücken zu erinnern, einige wenige Stellen, die unseren Gästen auffallen könnten, habe ich weggelöscht.

Ich billige es sehr, daß Ihr lieber Sohn kleinere Stücke macht, und Gegenstände wählt, die sich in wenigen Personen aussprechen. Die Breite giebt sich ohnehin nach und nach und macht nicht so unendliche faux-frais, als wenn man aus der Breite in die Enge gehen will; was hat sich nicht Schiller für Schaden gethan, als er so vaste Conceptionen dramatisch und theatralisch behandeln wollte. Seine meisten [346] Stücke, wie sie zusammengeschnitten werden mußten, sehen jetzt rapsodisch aus und die kostbaren Einzelnheiten, die nur schroff neben einander stehen, machen uns zwar immer erstaunen, aber sie verfehlen den reinen ästhetischen Effeckt. der nur aus dem Gefühl des Ganzen entspringt.

Wenn Sie mir etwas von des jungen Mannes Lustspielen schicken wollen, wird es mir sehr angenehm seyn damit ich ihn auch von dieser Seite kennen lerne. Ich wünsche daß er seine Gegenstände immer so richtig greife, wie in den beyden vorliegenden Stücken.

Was die Verse betrifft, so haben auch diese eine erwünschte Facilität und Klarheit; dabey mag der liebe junge Dichter ja festhalten und nicht künsteln. Nirgends ist die Pedanterey, und also die rhythmische, weniger am Platze, als auf dem Theater. da verlangt man unmittelbare Wirkung, und also die größeste Deutlichkeit.

Hat er aber ein Stück fertig und will sich selbst ein wenig controlliren, so suche er allen hiatus wegzubringen, so wie im Jambus die kurzen Sylben an den langen Stellen.

Da er, wie ich aus seinen kleinen Gedichten weiß, die lyrischen Sylbenmaaße in seiner Gewalt hat, so bringe er sie, wir er auch hier gethan, ins rhythmische Drama: er mache sich jene Sylbenmaaße zu eigen, die in Schlegels Calderon und in Werners Stücken Vorkommen, und bediene sich deren nach seinem Gefühl, [347] so wird er sie gewiß an die rechte Stelle setzen.

Verzeihen Sie, daß ich gewissermaßen nur vom Technischen spreche, dieß ist aber, wie Sie wissen, unter Handwerksgenossen der Brauch; denn daß sich das Werk übrigens durch Gehalt und Form empfehle, wird, wie hier der Fall ist, vorausgesetzt.

Will Ihr lieber Sohn mir künftig seine Plane mittheilen, nur ganz kurz, Scene vor Scene mit wenig Worten des intentionirten Inhalts, so will ich ihm gern darüber meine Gedanken sagen; denn wer vergreift sich nicht einmal an einem Stoff! wer verliebt sich nicht einmal in einen undankbaren Gegenstand! und so haben die schönsten Talente Mühe und Zeit verloren.

Ich behalte noch manches in petto, was zu seiner Förderniß dienen kann; denn es ist immer ein Vortheil, auf dasjenige früher gewiesen zu werden, worauf man später selbst kommen würde. Leben Sie recht wohl, den 27. April denke ich schon nach Carlsbad zu gehn, dort findet mich also ein Brief, bey den drey Mohren. Empfehlen Sie mich den lieben Ihrigen, und lassen mich die Zeit wissen, wenn Sie ohngefähr durch Prag gehen. Es wäre nicht ganz unmöglich daß wir dort zusammenträfen.

Mit den herzlichsten Wünschen

Jena den 23. April 1812.

Goethe. [348]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Christian Gottfried Körner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9736-7