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An Carl Cäsar von Leonhard
Ew. Hochwohlgeboren
haben mich durch Ihren kurzen Besuch in eine recht bedenkliche Lage versetzt. Der Gedanke, die Crystallisation statt durch Addiren sich durch Subtrahiren begreiflich zu machen, leuchtete mir gleich ein und ich verfolgte ihn, so gut es gehen wollte; das konnte mich aber nicht weit führen, weil mündliche und bildliche Erläuterungen mir abgingen, die zugesagte Modelle kamen mir auch nicht zu Hülfe; nun verzeihen Sie gegenwärtigem Erinnerungsschreiben, ich werde dazu aufgeregt, beynahe genöthigt durch folgenden Umstand.
Herr v. Eschwege, aus Brasilien kommend, bey uns vorüberreisend, hat sehr schöne Demant-Crystalle bey unserm Fürsten zurückgelassen. Da ich nun diese so klar vor Augen sehe, so wünscht ich mir auch ihre Gestalten ableiten zu können, wobey mir Ihr vortreffliches Handbuch bis auf einen gewissen Punct die beste Hülfe leistet. Aber nun wollt ich Sie zum allerschönsten um ein oder ein paar Modelle bitten, wodurch mir klar würde, wie aus der Kernform des regelmäßigen Oktaeders die flache doppelt dreyseitige Pyramide, die sich vortrefflich darunter befindet, auf diesem Wege entstehen könne. Mögen Sie sodann gelegentlich die zur Erläuterung überhaupt dienenden[248] Modelle zusenden, so würde Sie an mir einen Theilnehmenden finden, der sich auch in den alten Tagen nicht für dem Neusten fürchten. Freylich würde selbst in früheren Jahren für mich diese Angelegenheit manche Schwierigkeit gehabt haben, da mir das Organ, für Zahlen und Zeichen gänzlich abzugehen scheint; doch bin ich überzeugt, daß in persönlicher Gegenwart mit Worten und Modellen Ew. Hochwohlgeboren mich doppelt dem Ziele näher bringen würden.
Das Beste wünschend und erfreuliche Nachrichten hoffend.
Weimar den 18. Januar 1822.