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An Ulrike von Pogwisch

Nun darf ich nicht länger säumen dir, meine liebe Tochter, gegen deinen baldigen Brief auch von uns einige Nachricht zu geben. Zuvörderst aber wirst du der verehrtesten Großmama die sämmtlichen Familienglieder in auf- und absteigender Linie freundlich an's Herz legen, mit den treusten Wünschen für glückliche Wirkung der verordneten Heilquellen.

Sodann vermelde ich, daß Zelters Mittwoch den 19. Juli nach Tische abgereist sind, nachdem wir gar gute Stunden mit einander zugebracht hatten. Doris war sehr betrübt, sie entfernte sich ungern aus einer wohlwollenden heitern Umgebung. Sie hielten sich einige Tage in Jena auf, Ottilie war mit hinüber gegangen, wo sich Schopenhauers gar ländlich behagen. Übrigens hatte der Consul manches zu richten und zu schlichten, benahm sich aber dabey nach gewohnter Weise kurz und bündig.

Von Engländern ist zu sagen: daß der gute Cromie, nachdem ihn Schmeller glücklich abconterfeit, wiewohl ungern, nach wiederholtem Zaudern abgereist sey und, wenn er Urlaub erhalten kann, lieber in Weimar als in Indien verschmachten möchte.

Herr Johnson ist auch unvermuthet angekommen, heiter und gesprächig; verziehen aber ist ihm noch nicht, daß er den landstreicherischen Liebling entlarvt [96] und vertrieben hat. Gegenwärtig versucht er in Wilhelmsthal sein Glück, wohin sämmtliche Engländer nach und nach wallfahrteten.

Lord Gower, der einiges von meinem Faust übersetzte, kam von Petersburg, wohin er den Herzog von Devonshire begleitet hatte, eilends hier durch, verweilte nur eine Viertelstunde, die er mir schenkte. Derselbe hätte bey längerem Aufenthalt großes Unheil anrichten können; es ist ein durchaus schöner Mann und, wie die Frauenzimmer sagen würden, interessant. Sein Blick sagt, daß ihm irgend etwas abgeht, und ich denke, man würde sich beeilen diesen Mangel zu ersetzen, die Lücke seines Zustandes auszufüllen.

Noch muß ich bemerken, daß Herr Johnson erzählte: ein gewisser Capitän Smith habe sich mit ihm verabredet zu der Berliner Revue zu kommen.

Ferner erwarten wir Demoiselle Sontag; was sie uns von ihrem Talente gönnen wird, muß die Zeit lehren. Frau v. Wegener und Herrn General-Superintendent bitte mich schönstens zu empfehlen; auch hoffe nächstens auf fortgesetzte Nachricht.

treulichst

Weimar den 22. Juli 1826.

Goethe. [97]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1826. An Ulrike von Pogwisch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-974B-8