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An Carl Friedrich Zelter

Speise ging vom Gefreßnen und Stärke vom Aufgezehrten, also sagt' ich, indem Ihr Kraftgefüllter Kasten ausgepackt wurde. Alles ist glücklich angekommen und der Topf war so tüchtig eingedrängt daß nichts ausgelaufen war, ob er gleich einen Choc bekommen hatte. Die Hausfrau dankt, besonders aber August, der die größten Bissen der Gabe zu verschlingen im Stande ist. Wir andern nehmen geringere Portionen davon.

Die Musik ist schon der kleinen Schule übergeben worden. Ihre erste Sendung ist noch immer das [8] beste was wir die Zeit erhalten haben. Gestern wurde das meiste davon unsern Fürstinnen vorgetragen, welche viel Vergnügen daran fanden.

Sie sagten einmal von einem Stabat Mater. Verzeihen Sie daß ichs erinnere. Meine kleine Anstalt geht recht gut; nur schreiten die jungen Leute, wie Sie wohl wissen, gar gern aus dem Wege und jeder dünkt sich behaglicher, wenn er Solo irgend ein lamentables Grablied oder ein jammervolles Bedauern verlorner Liebe singt. Ich lasse ihnen dergleichen wohl zu, gegen das Ende jeder Session, und verwünsche dabey die Matthissons, Salis, Tiedgen, und die sämmtliche Clerisey, die uns schwerfällige Deutsche sogar in Liedern über die Welt hinaus weist, aus der wir ohnehin geschwind hinauskommen. Dabey tritt noch der Fall ein daß die Musiker selbst oft hypochondrisch sind und daß selbst die frohe Musik zur Schwermuth hinziehen kann. Ich lobe mir was von Ihnen, lieber Freund, entspringt. Auch gestern wieder bey dem »Niemals erscheinen die Götter allein«, beym »Lieben Freunde, es gab bessere Zeiten« war es gleich als ob Jedermann den Staub und die Asche des Jahrhunderts vom Haupte schüttelte.

Soviel Gutes verdancke ich Ihnen! Vielleicht seh ich mich einmal im Falle Ihnen etwas dagegen zu erstatten. Das beste Lebewohl.

W. d. 22. Jan. 1808.

Goethe. [9]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1808. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-974F-F