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An Carl Ludwig von Knebel

Weimar den 9. März 1814.

Habe Dank, mein Theurer, für die freundliche Anregung; auch mich hat das erneute Winterwetter auf einige Zeit in's Innere des Hauses und Sinnes zurückgeführt. Von Carlen hatte ich mir bisher wieder einige Nachricht gewünscht, und es freut mich zu erfahren, daß es ihm wohlgeht. Eine solche Expedition [190] ist nicht ohne Beschwerlichkeit und Gefahr, doch einmal überstanden ein Gewinn für's ganze Leben. Für deinen Carl zumal, der Soldat ist und bleiben wird.

Das Werk der Frau von Staël mag man immer gerne wieder lesen; man glaubt wirklich in guter Gesellschaft zu seyn, man wird durch diese Blätter zum Denken und zum Erwidern aufgefordert. Ist es einmal fertig da, so wird es zu schönen Betrachtungen über uns und über unsere Nachbarn Anlaß geben, vorzüglich weil es während einer so großen Umwälzung erscheint, welche den inneren Zustand sowohl, als die äußeren Verhältnisse bedeutend verändert wird.

Die Bezüge auf die englische Nation treten nun auch wieder ein, und die guten Deutschen bemerken nicht, mit welcher Klemme sie von dieser Seite bedroht sind. Dem französischen Stolz kann man beykommen, weil er mit Eitelkeit verbrüdert ist, dem englischen Hochmuth aber nicht, weil er, kaufmännisch, auf der Würde des Goldes ruht. Doch wollen wir dieß alles abwarten und, da wir weder reich noch eitel sind, uns in unsern stillen Kreisen wie früher behagen.

Kannst du mir den Constant senden, so geschieht mir ein besonderer Gefalle; wo befindet sich denn der Ehrenmann jetzo? Mir ist von neuen Dingen nichts Erfreuliches zugekommen, das ich mittheilen möchte.

[191] Ein französisches Werk bringe ich gelegentlich mit. Es ist ein Catalog eines mineralogischen Museums, dessen Besitzer Herr de Drée ist. Es besteht aus acht unterschiedenen Sammlungen und, wie es scheint, aus entschiedenen Prachtstufen. Ferner hat er alles was sich nur einigermaßen als Edelstein ansehen läßt, vom Diamant bis zum Türkis, geschlissen, sich zu verschaffen gewußt, giebt Rechenschaft, wie die verschiedenen Steine im Schliff zu behandeln, was ihren Werth bestimmt, mit großer Lust und Klarheit; man sieht, daß es ihm recht wohl bey seinen Schätzen zu Muthe ist. Dem Wunsch, etwas von diesen Merkwürdigkeiten vor Augen zu sehen, kommt er, durch sehr sauber gestochene Kupfer, entgegen.

Da ich mich dieses Jahr nicht weit von Weimar zu entfernen denke, so habe ich mir in Berka ein Quartier genommen und hoffe die schöne Jahreszeit zwischen der Ilm und der Saale zu theilen. Möge der erste retrograde Schritt der verbündeten Völker auch der letzte seyn. Doch leider ist der fromme Wunsch, ein Ende zu sehen, uns nur zu oft verkümmert worden. Um jedoch diesem Blatt einiges Gewicht zu geben, lege ich ein Werklein bey, welches interessant genug ist. Wenn die Unparteylichkeit (wie Frau von Staël sagt) als Luxus der Gerechtigkeit angesehen werden kann, so findet man hier das ungeheure Völkerschicksal nach der Mode. Vale.

G. [192]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-977A-D