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An Henriette Hasenclever

[Concept.]

[5. December 1821.]

Ihr Schreiben, meine Theuerste, hat mich zu ernsten Betrachtungen aufgefordert. So ist also auch die treffliche Freundin vorangegangen, welche gepaart mit meiner Schwester unsere jugendliche Cirkel versammelte und mit liebevollem Sinn vereinte und regierte; mein ganzes Leben durch hab ich jener schönen Tage gedacht, der himmlischen Milde, des reinen Verstandes, der treuen Anhänglichkeit, womit sich diese nunmehr Abgeschiedene vor so vielen Tausenden auszeichnete. Sie hat ein schönes Alter erreicht und den Hinterbliebenen darf man Glück wünschen, sich an ihrem Beyspiel herangebildet zu wissen.

Leider haben meine Welt- und Lebensverhältnisse mich abgetrennt von Jugendfreunden und einer Reihe von theuren Verwandten, die ich aber auch in der[202] Ferne immer im Herz und Sinn getragen und mich ihres Wohls, wie Nachricht und Zeugniß zu mir gekommen, jederzeit erfreut habe. Mehr noch ist mir durch meine Kinder ein ausgebreiteteres großes Familienverhältniß angeknüpft, auch durch wechselseitige Besuche in nähere Verbindung getreten sind, woran ich denn auch nach meiner Weise herzlichen Theil genommen.

Erhalten Sie uns ein freundliches Andenken, empfehlen mich Ihrem werthen Gemahl und erleben an den guten von der Vorsehung Ihnen geschenkten Kindern alle die Freude, die Ihre sittlich fromme Gesinnung verdient.

Meine gute Schwiegertochter, welche schönstens grüßt, meldet mir in dem Augenblick, daß Sie mit einer Tochter erfreut worden. Möge es Mutter und Kinde jetzt und künftig erwünscht gehen. Heinrich Nicolovius, der sich bey seiner Rückreise von Bonn einige Zeit unter uns aufgehalten, wußte so viel von der großen Thätigkeit in und bey Ehringshaufen, so wie von dem schönen Familienvereine daselbst zu erzählen, daß meine Jugend sich sogleich eine Rheinreise projectirte, um auch Ihre Bekanntschaft zu machen und persönlich die Neigung so lieber Verwandten zu gewinnen. Möge eine solche Vereinigung und Verknüpfung immer lebendiger werden.

Weimar den 2. December 1821.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An Henriette Hasenclever. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-97AE-A