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An Carl Ludwig von Knebel

Meine Frauenzimmer sind von Jena seht vergnügt zurückgekommen. Sie rühmen deine Hospitalität und guten Humor wie immer. Gegenwärtig beschäftigt die nächste Aussicht auf die Schlittenbahn die Gemüther unserer jungen Leute und wahrscheinlich auch eurer Jenaischen.

Ich bin mit theatralischen Arbeiten und Sorgen beschäftigt. Die drey Geburtstäge, die zu Ende Januars und Anfang Februars so schnell aufeinander folgen, machen uns viel zu schaffen; indessen ist Romeo und Julie so gut als fertig, und ich hoffe davon gute Wirkung, die du an dir selbst erfahren, den 30. Januar nicht versäumen mußt.

Unser alter Freund Trebra hat mir ein kleines Lineal geschickt aus der Zittauer Braunkohle geschnitten. Ein Tischmeister selbst möchte nicht leicht rathen, was es für Holz ist.

Sodann habe ich einen getrockneten Fisch erhalten, von welchem dir Bergrath Voigt erzählen mag. Er[228] hält ihn für einen Stör, hat ihn aber noch nicht näher bestimmen können.

Meinen Sammlung von Handschriften vermehrt sich jetzt fast täglich. Ich lege eine Blättchen des Verzeichniß bey, das du ja wohl gelegentlich einmal nach Nürnberg oder sonst wohin sendest; es wird irgend ein Freund dadurch wohl angeregt.

Deinen Auftrag auszurichten mußt du mir einige Zeit lassen. Auf directem Wege möchten wir schwerlich reüssiren; man muß auf irgend eine Wendung denken.

Werners Büste ist hier glücklicher als in Mecklenburg angekommen. Sie ist sehr schön gearbeitet und nimmt sich recht gut aus. Im Ganzen ist viel Übereinstimmung; das Scheinheilige aber ist darin nicht zu verkennen.

Die Sicklersche Charte von Latium und sein Panorama von Rom sind recht interessant, und brav gearbeitet. Die erstere kann man nicht entbehren; sie ist ein schönes Hülfsmittel zum Studium der römischen Geschichte. Auch an diesen Arbeiten sieht man, wie nach und nach immer mehr sich Anschauen und kritische Untersuchung verbinden.

Eben so treffen auch Niebuhr's erster Band und Micalis Werk: L'Italia avanti il Dominio dei Romani gar gut zusammen und geben über jene dunklen Zeiten die erwünschtesten Aufschlüsse.

So viel für dießmal. Ich gratulire zu dem weißen Kleide das deine Gegend nun angezogen hat, und[229] möchte sie wohl auch, wenn nur ein Stübchen wäre, in deiner Gesellschaft darin bewundern. Lebe recht wohl und grüße mir die Deinigen.

Weimar den 28. December 1811.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-97ED-D