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An Sulpiz Boisserée

Ihre werthen und herrlichen Sendungen, mein Theuerster, sind glücklich und zu gelegener Zeit hier angekommen, die Kupfer, wie ehemals die Zeichnungen, deuten mir auf jene Region, wo die innigem Vergnügen denk ich dabey der schönen guten Zeiten, die wie zusammen in heiterer Atmosphäre genossen.

So erneut sich denn auch wieder die höchste Bewunderung Ihrer und der Ihrigen beharrlich-thätigen Kunst- und Geschichtsneigung, ja man möchte bey näherer Betrachtung erschrecken, Geld und Gut, Leib und Leben an diese Unternehmung gewagt zu sehen. Beschaut man aber die glücklichen Resultate, so fühlt man sich angenehm erfreut, das Erhabene so faßlich vorgetragen zu finden; gewiß das Erhabenste in feiner Art, das denn ganz allein den hinreichenden Maaßstab für alles Verwandte dem überlegenden und urtheilenden Geiste dareicht.

Jedermann beschaute diese Blätter mit dem größten Antheil und wahrhaftig mit Ehrfurcht; Fürsten und Fürstinnen, Künstler und Laien, alles erfreute sich über die Möglichkeit, ein solches Unternehmen durchzuführen; alle schieden von dem Anblick mit dem Wunsche, daß Sie von diesen großen Opfern und Bemühungen reichliche Früchte genießen möchten.

[239] Durch wiederholtes Vorzeigen ist denn auch wieder alles in mir aufgeregt, was von den frühsten Jahren an mich zuerst und aber- und abermals abgesprochen hatte; es wird sich nach und nach ausbilden und wenn ich ganz wieder am Gegenstande bin, so lese ich Ihren Aufsatz und dann wird sich wohl etwas Gehöriges entwickeln.

Glücklicherweise kamen Ihre Schätze zur Stunde, wo ich aus dem letzten Bogen des nächsten Heftes von Kunst und Alterthum einige Blätter früheres Manuscripts ausheben und gegen eine zwar kurze aber freundlich-beyfällige Anzeige Ihrer Leistungen austauschen konnte. Vielleicht glückt es mir im nächsten Hefte, das Ausführlichere zu liefern.

Nun will ich aber nicht weiter gehen, um Gegenwärtiges fortzuschaffen, dem ich das Programm von Henning beylege. Lassen Sie dadurch Ihre Theilnahme an meinem Bemühen auf's neue beleben. Was ich aussprach, ist nicht aus der Luft gegriffen, es hat immer ein Substrat; wie denn neuerlich ein werther unterichteter Mann meine Art und Weise ein gegenständliches Denken genannt hat, welches nämlich immer im Angesicht des Gegenstandes sich bilde und äußere. Ich bin wohl zufrieden mit dieser Auslegund meiner Träume.

Endlich füge das Münzverzeichniß bey, dessen Summe von 365 fl. 53 kr. mit meiner zurückbehaltenen Copie zusammentrifft. Ich würde ohne Anstand, um keine [240] Quängeleyen im Einzelnen zu verursachen, das Ganze zusammen behalten, weil sich verschiedene Liebhaber darein theilen könnten; nun aber steht oben drüber: Metallwerth, welches dahin zu deuten scheint, daß man noch ein Aufgeld verlange, wodurch die Sache ein anderes Ansehen gewinnt. Geben Sie mir darüber nähere Auskunft. Wollte man die Münzen für obgenannte Summe ablassen, so können sie, wohl eingepackt, mit der fahrenden Post sogleich an mich abgesendet werden, die Zahlung erfolgt sogleich.

Daß die Schuld für die lithographischen Hefte gleichfalls bald entrichtet werde, trag ich Sorge. Das China-Exemplar des Domwerks eignet sich der Großherzog zu, lassen Sie mich wegen des Preises und der Zahlung das Nähere wissen.

Und somit sey denn für dießmal geschlossen. Das beyliegende Kupfer gehört zu Kunst und Alterthum. Möge das nächste Stück von Ihnen freundlich empfangen werden.

treulichst

Weimar den 22. December 1822.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1822. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-97F6-8