10/2992.

An die Herzogin Amalia

Durchlauchtigste Fürstinn
gnädigste Frau,

Ew. Durchl. haben soviel Zufriedenheit über meine Relationen aus der vorjährigen Campagne bezeigt daß [81] Durchl. der Herzog, bey einer unvermeidlichen Verhinderung heute zu schreiben, mir das Vertrauen schencken und mir befehlen Ew. Durchl. von unsern gegenwärtigen Zuständen zu unterhalten.

Ich würde nicht verfehlen Ew. Durchl. Lieblingswissenschaften hier zuerst zu bedencken und besonders einige Naturhistorische Merckwürdigkeiten aufzuzeichnen, wenn nicht der Boden hier so gut wäre daß er dem Mineralogen alle Gelegenheit zu Beobachtungen abschneidet und wenn der Botaniker nicht gleichfalls zu kurz käme da wir nichts als Rocken mit Füßen treten und die Gerste gleich beym Auskeimen durch eigne Fußtapfen und durch die Hufe unsrer Pferde zurückhalten das Theater unsrer Kriegrischen unternehmungen nicht etwa zu versperren.

Was die Unterhaltung selbst betrifft ist solche sehr einfach. Ew. Durchl. wird bekannt seyn daß die Sprache der Batterien noch einsilbiger ist als die deutsche Sprache. Wir gewöhnen uns an den Lakonismus, der bisher für uns meist ohne Sinn geblieben ist und sehen seit einigen Tagen mit Freuden daß man die leidigen Franzen durch eine gezogene Paralelle näher einschließt und wills Gott bald aus dem lieben Deutschen Vaterlande gänzlich ausschließt, wo sie doch ein vor alle mal nichts taugen weder ihr Wesen, noch ihre Waffen, noch ihre Gesinnungen.

Der Herzog befindet sich wohl und frisch, so auch der Prinz welcher nun mehr von dem Churfürsten [82] die Erlaubniß erhalten hat die Campagne mit den Sächsischen Truppen machen zu können, welches bey weiten das Vortheilhafteste ist was dem Prinzen hätte begegnen können. Auch der König hat diesen Heldentrieb gebilligt und so hat denn auch dieser Wunsch seine Erfüllung.

Gedencken Ew. Durchl. unsrer in dem werthen Tiefurt, das jetzt gewiß sehr lieblich seyn muß, und bleiben überzeugt, daß nur der Aufenthalt wünschenswerth ist wo man zufrieden ist und Zufriedene versammelt.

Ich bin indessen von Noth und Zwang umgeben, lasse mir denn aber doch Essen, Trincken Schlaf und dergleichen trefflich schmecken und empfehle mich aufs angelegentlichste zu Gnaden.

Ew. Durchl.

Lager Marienborn

unterthänigster

d. 22. Jun. 1793.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1793. An die Herzogin Amalia. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-97FD-9