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An Charlotte von Stein

Rom d. 7. [- 11.?] Nov. 86.

Laß dich's nicht verdrießen meine Beste daß dein Geliebter in die Ferne gegangen ist, er wird dir beßer und glücklicher wiedergegeben werden. Möge mein Tagebuch das ich biß Venedig schrieb, bald und glücklich ankommen, von Venedig bis hierher ist noch ein Stück geworden das mit der Iphigenie kommen soll, hier wollt ich es fortsetzen allein es ging nicht. Auf der Reise rafft man auf was man kann, jeder Tag bringt etwas und man eilt auch darüber zu dencken und zu urtheilen. Hier kommt man in eine gar große Schule, wo Ein Tag soviel sagt und man doch von dem Tage nichts zu sagen wagt.

Auf dem beyliegenden Blatte hab ich etwas geschrieben, das du auch den Freunden mittheilen kannst, für dich allein behalte die Versicherung daß ich immer an dich dencke und von Herzen dein bin. Ein großes Glück ist mir mit Tischbein zu leben und bey ihm zu wohnen, in treuer Künstlergesellschafft, in einem sichern Hause, denn zuletzt hat ich doch des Wirthshauslebens satt.

Wenn du mit deinem Auge und mit der Freude an Künsten, die Gegenstände hier sehn solltest, du würdest die größte Freude haben, denn man denckt [47] sich denn doch mit aller erhöhenden und verschönernden Immagination das Wahre nicht.

Ich bin recht wohl. Das Wetter ist wie die Römer sagen brutto, es geht ein Mittagwind (Sirocco) der täglich mehr oder weniger Regen bringt. Mir aber ist diese Witterung nicht unangenehm, es ist warm dabey, wie bey uns im Sommer regnichte Tage nicht sind.

Rom ist nur ein zu sonderbarer und verwickelter Gegenstand um in kurzer Zeit gesehen zu werden, man braucht Jahre um sich recht und mit Ernst umzusehn. Hätte ich Tischbein nicht der so lange hier gelebt hat und als ein herzlicher Freund von mir, so lange mit dem Wunsche hier gelebt hat mir Rom zu zeigen; so würde ich auch das weder genießen noch lernen, was mir in der kurzen Zeit bescheert zu seyn scheint; und doch seh ich zum voraus daß ich wünschen werde anzukommen wenn ich weggehe. Was aber das größte ist und was ich erst hier fühle; wer mit Ernst sich hier umsieht und Augen hat zu sehen muß solid werden, er muß einen Begriff von Solidität faßen der ihm nie so lebendig ward. Mir wenigstens ist es so als wenn ich alle Dinge dieser Welt nie so richtig geschätzt hätte als hier. Welche Freude wird mirs seyn dich davon zu unterhalten.

Nun warte ich sehnlich auf einen Brief von dir und werde dir öffters schreiben du nimmst mit wenigem vorlieb, denn Abends ist man müde und [48] erschöpft vom Lauffen und Schauen des Tags. Bemerckungen zeichne ich besonders auf und die sollst du auch zu seiner Zeit erhalten.

Wo man geht und steht ist ein Landschafft Bild, aller Arten und Weisen. Palläste und Ruinen, Gärten und Wildniß, Fernen und Engen, Haüsgen, Ställe, Triumphbögen und Säulen, offt alles zusammen auf Ein Blatt zu bringen. Doch werd ich wenig zeichnen, die Zeit ist zu kostbar, ob ich gleich lernen und manches mitbringen werde.

Leb wohl. Der Herzog wird nun einen Brief von mir haben und du auch, die d. 4ten abgegangen sind.

Leb wohl. Grüße die deinen. Liebe mich. Empfiel mich dem Herzog und der Herzoginn.

Geht ab d. 11. Nov.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1786 [2]. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9821-B