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An Philipp Christoph Kayser

Ich habe Ihnen mein lieber Kayser einen Vorschlag zu thun, über den ich eine baldige Entschließung und Antwort erwarte. Sie erinnern sich, daß ich lange gewünscht hatte, Sie Gluken näher zu bringen, auch hatte ich schon bald nach Ihrer Abreise einen Brief geschrieben, der eben an ihn abgehen sollte, als [187] ich die Nachricht von dem Schlag erfuhr, der ihn gerührt hat. Durchl. der Herzog schrieben darauf selbst an ihn und erhielten beiliegende Antwort. Es kommt nun drauf an ob Sie Sich zu diesem wakern Schritte entschließen wollen. Bey Gelegenheit der Feyerlichkeiten in Wien zu seyn ist kein geringer Reiz für einen ieden, und doppelt für Sie. Es werden einige Opern von Gluk deutsch aufgeführet werden, der Alte kann Ihnen noch seinen ganzen musikalischen Segen hinterlaßen, wer weiß, wie lang er noch lebt. Freylich wünscht' ich, daß Sie gleich aufbrächen um noch bey allen Proben und Anstalten zu seyn und das Innerste kennen zu lernen. Haben Sie das Alles gesehen und gehört, haben Sie den Wiener Geschmak, Sänger und Sängerinnen kennen gelernt, so ist es alsdenn wohl Zeit, daß wir auch was versuchen. Einige Monate in Wien können Sie iezo weiter rüken als zehn Jahre einsames Studium. So bald Sie mir Ihren Entschluß melden, sollen Sie Empfehlungsschreiben an Gluk, und an den hiesigen Residenten bekommen, auch Geld, so viel Sie zur Reise nöthig haben und dort soll es Ihnen an nichts fehlen und Sie sollen zu weiter nichts verbunden sein, als alles aus Sich zu machen weßen Sie fähig sind. Antworten Sie mir aufs baldigste und wenn Sie Lust dazu haben so machen Sie Sich gleich reisefertig, mit der umlaufenden Post sollen die Briefe und das Geld folgen. Erkundigen Sie Sich nach der Route und nach allem.

[188] Vergessen Sie nicht Sich einen warmen Mantel mitzunehmen. Ich glaube Sie gehn am besten auf Constans und fahren über den See nach Mörsburg, von da geht ein Postwagen über Memmingen, iedoch wie ich glaube nicht gerad auf München er wird einen Umweg auf Augspurg nehmen und dann müßen Sie auf München Linz und dann Wien. Doch das ist das geringste, Sie wißen ia wohl, wie man durch die Welt kommt. Lavater giebt Ihnen wohl einen Brief an den Grafen Thun mit, sagen Sie indeßen niemand weiter von der Sache. Schreiben Sie mir ia bald, ich glaube nicht daß etwas vortheilhafteres für Sie gefunden werden könnte.

Weimar den 10ten Sept. 1781.

G.


Wie dieser Brief schon geschlossen war, erhielt ich den Ihrigen über Rousseaus Lieder. Ich kann mir vorstellen daß sie Ihnen große Freude gemacht haben. Ich habe die Stimmen ausschreiben lassen und so habe ich sie meistens schon etlichemal gehört. Man wird sie nicht satt und ich bewundere bei der Einfalt die große Mannigfaltigkeit und das reine Gefühl wo alles an seinem Platz ist. Wie sehr verlangt mich einen Brief von Ihnen zu erhalten, wenn Sie so viel mehr gehört und gesehen haben. Und da ich eben bedenke, daß acht Tage auf oder ab, diesmal gar viel thun, sowohl wegen der Umstände als der Jahrszeit so schreibe ich mit der heutigen Post an meinen Banquier [189] nach Eisenach, daß er Ihnen 200 rh. hiesigen Geldes in Zürich, wenn Sie es verlangen, soll auszahlen lassen. Entschließen Sie Sich also kurz und gut, nehmen Sie das Geld, setzen Sie Sich auf und fahren nach Wien. Die Empfehlungsbriefe sollen sogleich, wenn Sie mir ein Wort melden, von hier abgehen, daß Sie solche bey Gluck, der ohnedies schon von Ihnen weiß vorfinden. Denn bis Ihr Entschluß hierherkäme und die Briefe wieder zu Ihnen, ginge viel Zeit verlohren. Versäumen Sie nicht in München die trefflichen Meister, die der Churfürst von Bayern bey seiner Capelle hat kennen zu lernen. Erkundigen Sie Sich auch, was Sie auf der Route für Geldsorten nöthig haben. Ich glaube Ducaten werden das Beste seyn.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1781. An Philipp Christoph Kayser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-982D-4