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An Josephine O'Donell

Schon seit drey Wochen sind Durchl. Herzog hier, eben so lange, verehrteste Freundinn, besitze ich Ihre älteren aber nicht veralteten kleinen Blättchen vom 27. April und kurz vorher war Ihr letztes theueres Schreiben eingetroffen. Warum ich bisher nicht dazu gelangen können Ihnen dagegen auch wieder einmal ein Wort zu sagen würde sich nicht erklären lassen, ohne daß ich weitläufige Klaglieder anstimmte, die in der Nähe Niemanden Vergnügen machen und in [407] der Ferne um so unangenehmer sind, als man seinem Freunde nicht gleich ein Wort des Trostes und der Theilname erwidern kann. Die Krankheit meines Reisegefährten hat sich verschlimmert, so daß ich ihn zuletzt nach Carlsbad schicken mußte, dadurch bin ich in allen meinen Vorsätzen, welche schwarz auf weiß ausgeführt werden sollten, dergestalt gehindert worden, daß ich nur mit Verdruß auf die schöne Jahreszeit zurücksehe, die mir so ruhig verfloß und die ich nicht nach meinen Wünschen und Kräften habe nützen können, und so giebt mir mein Wohlbefinden selbst, dessen ich bis jetzt genossen, Anlaß zur Betrübniß, die ich denn durch Thätigkeit wieder aufzuheben suchen muß.

Von unserm theuern Herzog werden Sie unmittelbar gehört haben, das Bad thut seine alte gute Wirkung und der Umgang mit so viel Personen die er liebt und schätzt, macht ihn froh, und so ist zu hoffen, daß die Cur gut anschlagen werde.

Zu Ihrer Neigung, welche Sie der englischen Sprache schenken, wünsch' ich viel Glück. Diese Literatur bietet uns ungeheure Schätze und man findet sich kaum in den Reichthum, der sich uns zudrängt, wenn man ihr nahe tritt. Über Ihre 1 ernste ja melancholische Seite finden Sie im dritten Theil meines biographischen [408] Versuchs einige Blätter. Wahrscheinlich kennen Sie schon das Deserted village von Goldsmith, sonst will ich es dringend empfohlen haben. Es ist seit langer Zeit eine meiner entschiedensten Passionen.

Ich beneide Sie um die Kenntisse des Werks derFrau v. Staël, die Bruchstücke die ich davon gesehen, haben mir sehr viel Vergnügen gemacht; Es ist sehr belehrend, seine Nation einmal aus einem fremden Gesichtspuncte billig und wohlwollend geschildert zu sehen. Die deutschen sind gewöhnlich unter einander ungerecht genug und die Fremden haben auch nicht immer Lust Ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Es gehörte dazu, daß eine so geistreiche Frau uns in dem Grade achtete, um sich die Mühe mit und für uns zu geben. Ich hoffe denn doch, dieses Werk soll endlich zu der allgemeinen Erbauung noch öffentlich erscheinen.

Ihre Nachricht von so vielen Regen, kann ich erwidern, daß nach langer Trockniß endlich der Regen zur unrechten Zeit in die Erndte fällt, Grummt und Klee mögen sich daran erfreuen, aber die Schwaden keineswegs.

Die Hand welche bisher schrieb ist diejenige welche vor soviel Jahren meine Iphigenie zuerst abschrieb. Dieses will ich als eine kleine Merkwürdigkeit hier anführen.

Aber zum Schluß noch eigenhändig sagen, was mir seit dem Anfange im Sinne schwebt: wie glücklich [409] es mich macht daß unsere allerhöchste Gebieterinn auch meiner so gnädig eingedenck seyn will. Solange hätte ich Töplitz schon verlassen sollen; aber ich zaudre noch immer in Hoffnungen die zu nähren ich gar keinen Anlaß finde, und immer noch begreiff ich nicht wie Töpliz nur da seyn kann ohne durch Jene Gegenwart eigentlich aufgebaut zu werden.

Und nun leben Sie schönstens wohl und meiner eingedenck. Verzeihen Sie diesem Blate das regnerische Aussehn und beglücken mich bald wieder mit einem heiteren öftlichen Lichte.

Tepliz d. 24 Juli 1813.

Goethe.


Note:

1 sollte mit einem kleinen i geschrieben sein: denn es ist, Gott sei Dank, nicht die Freundinn sondern die Sprache zu verstehen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1813. An Josephine O'Donell. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-984B-F