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An Friederike Helene Unger

Sie haben mir, wertheste Frau, durch Ihren Brief und die überschickten Lieder sehr viel Freude gemacht. Die trefflichen Compositionen des Herrn Zelter haben mich in einer Gesellschaft angetroffen, die mich zuerst mit seinen Arbeiten bekannt machte. Seine Melodie des Liedes: ich denke dein hatte einen unglaublichen Reitz für mich, und ich konnte nicht unterlassen selbst das Lied dazu zu dichten, das in dem Schillerschen Musenalmanach steht.

Musik kann ich nicht beurtheilen, denn es fehlt mir an Kenntniß der Mittel deren sie sich zu ihren Zwecken bedient; ich kann nur von der Wirkung sprechen, die sie auf mich macht, wenn ich mich ihr rein und wiederholt überlasse; und so kann ich von Herrn Zelters Compositionen meiner Lieder sagen: daß ich der Musik kaum solche herzliche Töne zugetraut hätte.

Danken Sie ihm vielmals und sagen Sie ihm daß ich sehr wünschte ihn persönlich zu kennen, um mich mit ihm über manches zu unterhalten. In dem achten Bande meines Romans wird zwar kein Raum für Gesänge bleiben, doch ist der Nachlaß Mignons und des alten Harfenspielers noch nicht erschöpft, und ich werde alles was davon das Licht erblicken kann Herrn Zelter am liebsten vertrauen.

[92] Indessen schick' ich vielleicht bald einige andere Lieder mit der Bitte sie für den Schiller'schen Musenalmanach zu componiren, die ich dieser Antwort beyzufügen hatte, deswegen sie auch länger als billig zurückgeblieben ist.

Haben Sie Dank, wertheste Frau, für Ihre Bemühung und glauben Sie daß ich den Antheil zu schätzen weiß, den gute und gebildete Seelen an mir und an den Arbeiten nehmen, durch die ich einen Theil meiner Existenz auch entferntern mir unbekannten Gemüthern nahe bringen kann.

Herrn Ungern sagen Sie auf seinen letzten Brief: daß ich nicht aus Deutschland gegangen seyn würde, ohne den vierten Band in seine Hände zu liefern. Jetzt, da mir, wenigstens für den Augenblick, der Weg nach Italien abgeschnitten ist, so soll er ihn auch nicht später erhalten. Es kommt nur darauf an, daß ich Muth fasse und das siebente Buch abschicke. Ich muß dabey wie bey den vorigen Bänden immer denken: daß nicht aller Tage Abend sey, und daß an einer solchen Arbeit, wenn man sie erst einmal, im Ganzen, mit fremden Augen gesehen hat, künftig doch noch manches nachzuholen seyn wird. Leben Sie recht wohl und gedenken Sie meiner in Ihrem Kreise.

Weimar am 13ten Junius 1796.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1796. An Friederike Helene Unger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9875-F