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An Carl Ludwig von Knebel

Dein Brief hat mich recht erfreut und ich eile dir nur ein Wort zu sagen da gleich wieder eine Gelegenheit geht. In diesen vier Wochen habe ich manches erfahren und dieses Musterstück von Feldzug giebt mir auf viele Zeit zu dencken. Es ist mir sehr [25] lieb daß ich das alles mit Augen gesehen habe und daß ich, wenn von dieser wichtigen Epoche die Rede ist sagen kann:

et quorum pars minima fui.

Wir sind in einer sonderbaren Lage. Nach der Einnahme von Verdun fand man daß die Franzosen die Foret d'Argonne besetzt und den Paß von Clermont auf Ste Menehould verrannt hatten. Man suchte sie zu tourniren und mit Hülfe des General Clairfait vertrieb man sie von dem Posten von Grandpre, die ganze Armee ging über diesen Ort und setzte sich zwischen S. Menehould und Chalons. Als man den Feind zu Gesicht bekam ging eine gewaltige Canonade los, es war am 20ten, und da man endlich genug hatte war alles still und ist nun schon 7 Tage still. Sogar die Vorposten schießen nicht mehr. Die Franzoßen stehen ohngefähr wie vorher und von uns kann man nur über Grandpre nach Verdün gelangen. Entsetzliches Wetter, Mangel an Brod das langsam nachkommt machen diesen Stillstand noch verdrießlicher. Man fängt an den Feind für etwas zu halten den man bißhierher verachtete und (wie es zu gehen pflegt bey solchen Übergängen) für mehr zu halten als recht ist.

In kurzem wird sich zeigen was man beschließt. Es sind nur wenig Wege aus dieser Lage zu kommen.

Der Herzog ist recht wohl, ich bin es auch, ob ich gleich täglich etwas von meinem Fette zusetze, wie[26] meine Vesten und Röcke zeugen. Ich bin nach meiner Art im Stillen fleißig und dencke mir manches aus; in Opticis habe ich einige schöne Vorschritte gethan.

Ich lese französche Schriftsteller die ich sonst nie würde gesehen haben und so nütze ich die Zeit so gut ich kann. Wäre es gut Wetter so wäre alles anders und man könnte manches versuchen und mehr Menschen sehen. So aber mag man Tage lang nicht aus dem Zelte. Die Gegend ist abscheulich.

Behalte mich lieb. Empfiel mich den Durchl. Herzoginnen und allen Freunden. Es freut mich sehr zu hören daß Herder wohl ist, um wenige Tage hätte ich ihn in Franckfurt gesehen. Ich wünsche sehr bald wieder bey euch zu seyn, da aber unser Weg sehr parabolisch ist läßt sich die Bahn schwer berechnen.

Indessen mag meine Wohnung fertig werden und, wie sie Meyer einrichtet, ein Plätzgen werden wo meine Freunde gern zusammen kommen. Lebe wohl. Liebe mich. Im Lager bey Hans d. 27. Sept. 1792.

Inliegendes bitte an Durchl. die Herzoginn Mutter sodann an Prinz August zu befördern.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1792. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-98EF-1