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An Johann Heinrich Voß d. J.

[Concept.]

Ihre liebwerthe Sendung, mein Theuerster, kommt noch gerade zu rechter Zeit und Stunde, um mich auf meiner Reise nach den böhmischen Bädern zu begleiten, wohin ich wohl keine angenehmere Gesellschaft finden könnte.

[24] Da zu meinen liebsten Gefühlen die Dankbarkeit gehört, die ich gerne hege, pflege und mich an ihr ergötze; so kommt mit oft genug vor die Seele, was wir Ihrem Herrn Vater und Ihnen schuldig sind. Je mehr man durchdrungen ist von dem Werthe der Bildung, die wir den alten Schriftstellern verdanken, desto mehr lernt man nach und nach einsehen, daß ein ganzes Leben dazu gehört, sie recht zu verstehen und also gründlich zu nutzen. Vergebens, daß man sich einbildet, nebenbey zu so wichtiger Einsicht gelangen zu können. Wie hoch haben wir dabey den Übersetzer als Vermittler zu verehren, der uns jene Schätze herüber in unsere täglichen Umgebungen bringt, wo wir vor ihnen nicht als fremden seltsamen Ausgeburten erstaunen, sondern sie als Hausmannskost benutzen und genießen.

Niemand kann dieß mehr anerkennen als ich, der ich, bey vielbeschäftigter Zerstreuung, zum Kern eilen muß und deswegen mich herzlich freue, wenn er mir so rein und appetitlich vorgesetzt wird. Es ist kein alter und neuer Autor, den Sie in Ihrem Familienkreise bearbeitet haben, von dem ich das nicht zu sagen hätte und indem ich die bisherigen Gaben zu schätzen weiß, freue ich mich höchlich auf den versprochenen Schakespeare.

Daß die beiden wackern und trefflichen Männer, Knebel und Gries, sich Ihrer Freundschaft und Beyfalls erfreuen, macht höchst glücklich. Es giebt [25] der unwollenden, mißwollenden Menschen so viel, die ihr etwaiges Vermögen so gern zu Schaden und Verdruß anderer bethätigen, wodurch sie denn einem fleißigen talentvollen Mann wenigstens den Tag verkümmern, und aus Tag nach Tag besteht denn doch das Leben.

Möge ich Ihrer theuersten Familie unschätzbare Theilnahme auch fernerhin auch fernerhin wie immer genießen.

Weimar denn 22. Juli 1821.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An Johann Heinrich Voß d. J.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-993E-1