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An Carl Friedrich Zelter

Herr Staats-Rath Schultz reist eben von mir weg, nachdem wir vierzehn Tage, theils in Jena theils hier, vergnüglich und nützlich zusammen zugebracht. Deiner ist oft gedacht worden und so gedenke ich auch heute meiner Sünde, daß ich dir so lange nicht geschrieben. Du hast, weiß ich, mancherley erduldet, dein gewohntes Haus verlassen, an den Augen gelitten und was dir sonst widerfahren seyn mag. Laß mich hören daß dir dazwischen auch manches Gute begegnet.

Ich habe einen ruhigen viermonatlichen Aufenthalt in Jena benutzt um manche alte beynah verlegene Papiere in's Leben zu rufen und dem Tageslicht zu übergeben. Mein naturwissenschaftliches Heft, so wie der zweyte Theil meiner Italiänischen Reise werden dich aufsuchen und dir da oder dort begegnen. Reinliche Exemplare leg' ich für dich zusammen, damit ich dir zu seiner Zeit eine kleine Bibliothek sende.

Ich habe mich nach meiner Weise leidlich befunden, kann aber von weiterm Thun und Unternehmen nichts erzählen, weil jene Beschäftigung meine ganze Zeit absorbirt. Jetzt ist es zu spät nach Carlsbad zu gehen, wohin mich die Ärzte beorderten, und ich muß versuchen wie ich, auch ohne diese Nachhülfe, durch den Winter komme.

[225] Mir kann es, wenn ich arbeiten will, an Unterhaltung nicht fehlen, denn es liegt mehr vor mir als ich gewältigen werde.

St. R. Schultz hat mich auf's freundlichste nach Berlin eingeladen, und manchmal kommt mir vor daß eine solche Reise räthlich und thulich sey; dann aber verändert sich auf einmal die Ansicht und ich sehe doch nicht recht wo am Ende der Entschluß herkommen soll. Am besten ist's darüber gar nicht zu denken, sondern die Charwoche herankommen zu lassen und abzuwarten: ob das Graunische Oratorium zuletzt die Wagschale niederzieht.

Das große Unheil was euer Theater überfallen hat erschreckt mich, ja drückt mich noch. Die Lebensereignisse nah und fern scheinen immer wilder zu werden, da Friede selbst keinen friedlichen Charakter annimmt. Man fürchtet jeden Tag daß eine frische Maske der allgemeinen Schicksals-Hydra vor uns aufsteige. Wie erfreulich mir deshalb die Gegenwart des St. R. Schultz gewesen kannst du dir ja wohl denken.

Lebe wohl! und laß bald von dir hören!

Weimar d. 20. August 1817.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1817. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9953-F