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An Johann Kaspar Lavater

Bäbe schreibt mir du habest Calliostro gesehen, er dir angeboten dich gleiches sehn zu lassen, du von der Gewissheit überzeugt hättest nicht gewollt und mehr verlangt. Sage mir doch nun über die Sache ein Wort aus der ganzen Tiefe. Denn wird man nur darum älter um wieder kindisch zu werden.

Sag mir auch von der schönen und den guten.

Du hast deinen Husten wieder? Wie gehts.

Ich bin auch zeither kranck, meist ohne es zu sagen, dass niemand frage, und der Credit aufrecht bleibe. Ich halt es offt mit den Zähnen wenn die Hände versagen. Sonst geht alles recht gut, die Herzoginn giebt uns Hoffnung zu einem Prinzen, der Herzog wächst schnell, und ist sich sehr treu.

Ich lade fast zu viel auf mich, und wieder kan ich nicht anders. Staatssachen sollte der Mensch der drein versetzt ist, sich ganz wiedmen, und ich mögte doch soviel anders auch nicht fallen lassen.


[55] d. 19. Febr. 1781.

Soweit war ich als dein Brief kam den ich in der Beylage beantworte.

Du hast den Calliostro gesehen laß mir doch durch Bäben wenigstens etwas ausführliches sagen, es ist dächt ich der Mühe werth.

Die lezten Tage der vorigen Woche hab ich im Dienste der Eitelkeit zugebracht. Man übertäubt mit Maskeraden und glänzenden Erfindungen offt eigne und fremde Noth. Ich tracktire diese Sachen als Künstler und so gehts noch. Reime bey dieser Gelegenheit gemacht schickt dir vielleicht Kayser Wie du die Feste der Gottseeligkeit ausschmückst so schmück ich die Aufzüge der Thorheit. Es ist billich daß beyde Damen ihre Hofpoeten haben. Kayser läßt sich gut an, ich hoffe sein Leben hier soll ihn geschmeidiger machen. Er hat Gelegenheit in seiner Kunst manches zu sehn und zu hören.

Übrigens wollte Gott daß wir nicht soweit auseinander wären!

Adieu lieber Bruder antworte mir bald. Grüse deine Frau und Kinder und Pfenningern. Bäben schreib und schick ich nächstens, sie soll mir meine Sachen wiederschicken es sind die einzigen Abschrifften.

G.


[Beilage.]

Dein Zettelgen lieber Bruder hab ich Knebeln nicht gegeben und will dir vorher nochmals über die [56] Sache schreiben, damit du erst einen lebhafften Begriff habest wie es mit ihm steht, und du auch diese Seite bedencken könnest, da du ausser der Beschweerlichkeit des Transports, bisher nur Eure Empfindung zu Rathe gezogen hast.

Knebel lebt iezt meist für sich, auser dem griechischen das ihn beschäfftigt, unterhält ihn vorzüglich die allgemeinere Naturlehre, und die Betrachtung der Linien die sich von der Verbindung dieses grosen Ganzen ziehen lassen. Die Astronomischen Kenntnisse sind nicht die geringsten dabey, und wenn du Lamberts kosmologische Briefe kennst, und ich dir sage daß er sich mit Freunden und Freundinnen in diesem Kreise weidet, so wirst du das übrige leicht dazu dencken. Ich habe sie, da dieses ungeheure Uhrwerck mich selbst nur in der dunckelsten Ahndung interessirt, gar offt angetroffen, daß sie sich von iener schönen Harmonie der Sphären unterhielten und sich dabey ein Hahnisches Model mit groser Lebhafftigkeit und Begierde wünschten. Sezze hinzu daß sich Knebel nach seiner Art, bey einem ganz geschäfftslosen Leben, auf seinem einsamen Zimmer keinen unterhaltendern Gesellschaffter erwarten kan als eben die Uhr von der die Rede ist. Vielleicht hat ihm das Glück noch nie ein so angenehmes Geschenck gemacht, seine Freude wird auserordentlich drüber seyn, und ich wüste nicht was ich drum geben wollte wenn ichs ihm heute Abend noch ankündigen dürfte.

[57] Dies ist der erste Theil meiner Rede, nun folgt der zweite: Knebels Verhältniß zu dir, welches dir vielleicht weniger als mir bekannt ist.

Er liebt dich so zärtlich als man kan, und nimmt einen weit näheren Anteil an den zartgesponnenen Saiten deines Wesens als mir selbst bey meiner roheren Natur nicht gegeben ist. Er hat mir zuerst nach seiner Rückkunft mit sehr treffender Wahrheit, verschiedne Dinge an dir mit denen ich nicht stimme: daß du giebst was du hast, und nicht hast, die ewige Spedition wodurch du immer raubst und giebst, zugleich nutzest und kompromittirst; diese sag ich hat er mir so schön zurecht gelegt, dass ich seit der Zeit mit dir einiger bin als iemals. Durch ihn ist mir erst lebhafft geworden, daß man dir dem ewigem Geber nichts geben kan, was man dir nicht für andre giebt, daß man dir nie wieder vergelten wird was du moralisch und politisch, für deine Freunde und für uns besonders thust. Über eben diese Ader aus der dein gegenwärtiger Wunsch fliest, hat er so offt mit mir gesprochen, und seine theilnehmende Seele hat mir zu Beobachtung vieler Schattierungen in dir geholfen; der ich mir selbst überlassen gewisse Strahlenbrechungen zu starck und andre zu wenig sehe.

Hier endigt sich mein zweyter Theil, und um beyde wieder aufzunehmen, wirst du hieraus deutlich sehen, daß es ihm eine unsägliche Freude machen wird die Uhr gewonnen zu haben, und zu besitzen, daß er aber[58] auch wenn er deinen Wunsch erfährt, sie dir gewiß abtreten wird, denn es kan sich niemand so sehr in deine Lage versezzen als er, und niemand die guten Folgen für uns durch dich, und für dich durch uns so lebhafft wünschen.

Es ist also hier nicht mehr von Indiskretion die Rede, nicht mehr von dem Verhältniß der Einlage um Werth der Uhr, worauf du in dem Zettelgen an ihn das ganze Räthsel drehst, was ich bisher gesagt, entkörpert die Sache gänzlich und ich überlaße dir was du mir weiter drüber zu sagen hast.

Bis deine Antwort kommt verschweig ich ihm den Gewinst.

Die Schwürigkeit des Transports und was daraus entstehen kann kommt alsdann erst in Betrachtung. Ich kan mich auch wohl an deinen Plaz stellen, wie gelegen dirs käme deinem ehr und unehrsamen Publiko zu zeigen daß wir auch noch einiger Grosmuth fähig sind, denn solche Handlungen sind wie bekannt die ächten Eselskinbacken womit man die Philister erlegt.

Weimar, d. 19. Febr.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1781. An Johann Kaspar Lavater. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-998B-6