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An Johann Friedrich August Göttling

[Concept.]

[28. April.]

Ew. Wohlgebohrn

haben mir mit übersendetem Buche ein sehr angenehmes Geschenk gemacht. So aufmerksam ich schon [154] lange auf die neue französische Chemie auch war, so litten es doch meine Umstände nicht, daß ich ihr anders als nur gleichsam von weitem hätte folgen können. Eine neue Theorie kann dem nur eigentlich recht interessant seyn, dem alle Phänomene gegenwärtig sind, welche sie zusammen zu fassen und besser als vorher geschehen zu erklären verspricht. Wer nicht in dem Fall ist, thut besser daß er abwartet, was Männer die mit der Wissenschaft vertraut sind, auf dem neuen Wege wirken und entdecken. Wie angenehm mir in diesem Betracht Ew. Wohlgeb. Arbeit sey werden Sie nach dieser Äußerung selbst ermessen. Ich finde darin sehr zarte und dabey sehr einfache Versuche mit vielem Scharfsinn angestellt und zu Erklärung sehr merkwürdiger Phänomene benutzt. Das Leuchten des Phosphors im Stickstoff ist eine sehr merkwürdige Erscheinung, und die Art wie Sie die verschiedenen Grade der Temperatur bey den Versuchen benutzt empfiehlt sich vorzüglich. Da man mit so feinen Wesen zu thun hat, so ist nichts nöthiger als auch auf eine zarte Weise zu Werke zu gehen, und weder in Versuchen noch im Raisonnement allzuderb zuzugreifen.

Alles was uns von dem Lichtstoff und feinen Verwandtschaften zu andern Körpern nähern Unterricht giebt, muß mir doppelt interessant seyn, da ich immer fortfahre die Erscheinungen zu studieren, welche wir diesem zarten Körper unter so mancherley Umständen [155] abgewinnen können, und wie erwünscht würde mir es seyn, mich mit Ew. Wohlgeb. bald auf einerley Weg zu treffen. Ich hoffe das Vergnügen zu haben, Sie bald wiederzusehen, und wünsche indessen recht wohl zu leben.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1794. An Johann Friedrich August Göttling. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-999F-9