17/4948.

An Johann Christian von Mannlich

[Concept.]
Hochwohlgeborener
Insonders hochgeehrtester Herr

Die von Ew. Hochwohlgeb. an mich gebrachte Streitfrage läßt sich nach meiner und meiner hiesigen Freunde Überzeugung nicht so wohl entscheiden als vergleichen. Da nämlich Einerley Sache auf verschiedene Weise gethan, Ein Zweck auf verschiedene Weise erreicht werden kann; so möchten wohl, nach Beschaffenheit der Umstände, beyderley Arten eine Sammlung von Gemälden aufzustellen gar wohl zulässig und [182] diejenigen, welche Ew. Hochwohlgeb. erwählt, in gewissen Fällen der anderen vorzuziehen seyn.

Der Künstler mahlt eigentlich sein Bild nicht, daß es einer Gallerie aufgestellt werden soll; er mahlt es für einen Altar, für die Wand eines Saales, oder Zimmers, und denkt es, oft als isolirtes, immer aber als ein abgeschlossenes Ganze. Daher wäre nichts wünschenswerther als fürtreffliche Sachen allein, in ruhigen Zimmern, aufgehangen zu sehen. Weil aber hiezu, bey großen Besitzungen, ein ungeheurer Platz nöthig wäre; so ist es der Sache ganz gemäß, daß man das Vortreffliche zusammenbringe, indem die besten Meister, in ihren glücklichen Augenblicken, sich der höchsten Kunst nähern, wo die Individualität verschwindet und das was durchaus recht ist hevorgebracht wird.

Dem Liebhaber wird durch eine solche Einrichtung ein großer Genuß bereitet und dem Kenner Gelegenheit zu den interessantesten Vergleichungen gegeben. Findet man noch außerdem, durch eine Reihe von Bildern die mehr ein Streben bezeichnen als ein Gelingen darstellen, zur andern Art von Vergleichung, welche man die Historische nennen kann, gleichfalls Gelegenheit; so bleibt, wie uns dünkt, nichts zu wünschen übrig und das Publikum hat eine solche Einrichtung wohl dankbar zu erkennen. Dieses ist im allgemeinen unsere Überzeugung, welche weiter ausgeführt in der Jenaischen allgemeinen Litteraturzeitung öffentlich erscheinen [183] könnte, wenn Ew. Hochwohlgeb. nach geendigtem Druck mir die Katalogen übersenden wollten. Wobey uns besonders angenehm seyn soll zu Ew. Hochwohlgeb. Beruhigung, nach unserm besten Wissen und Gewissen, das mögliche beyzutragen.

Der ich mit vorzüglicher Hochachtung zu unterzeichnen die Ehre habe

Ew Hochwohlgeb

Weimar

ganz gehorsamster Diener

d. 6. Aug. 1804.

J W v Goethe


Nachschrift

Erlauben mir Dieselben zugleich eine kleine, auf Kunst sich beziehende Bitte. Ich bin, bey Gelegenheit der Übersetzung und Bearbeitung des Cellini, auf die kleineren plastischen Werke der neuern Kunst aufmerksam geworden und habe, um zu einem Anschauen der Verdienste manches Künstlers zu gelangen, eine Sammlung von bronzenen, gegoßnen und geschlagnen Medaillen angelegt, welche sich von der Hälfte des 15. Jahrhunderts bis auf die neuen Zeiten erstreckt. Da ich besonders bemerken können, daß in den Pfälzischen Häusern sehr merkwürdige und kunstreiche Medaillen gegossen und geprägt worden, so nehme die Freyheit bey Ew. Hochwohlgeb. anzufragen: ob mir Dieselben vielleicht einiges davon verschaffen könnten, so wie vielleicht in München, wegen der Nähe von Italien, manches alte Stück auf Päpste, Cardinäle, Fürsten und verdiente Leute, besonders des 15. und 16. Jahrhunderts, gegossen und geprägt befindlich seyn könnte, welches der Besitzer einzelner Stücke dem Liebhaber um ein billiges überließe, besonders weil dieses eine Art von Kunstwerken ist, die man von dem historischen Standpuncte aus zu betrachten hat, da kaum etwas darunter vorkommt, das man unbedingt [184] fürtrefflich nennen könnte. Daß ich nur bronzene oder kupferne Exemplare wünsche, erhellt aus dem obigen.

Abgesendet d. 6. Aug. 1804.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1804. An Johann Christian von Mannlich. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-99A7-6