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An Antonia Brentano

Von Weimar kann ich nicht abgehen, verehrte Freundin, ohne Sie aus der Ferne zu begrüßen und zu melden daß ich mich von der Stelle bewege. Veranlaßt für diesmal nach Baden zu gehen, nähere ich mich dem Rhein, mich von Ihnen entfernend.

Die Hoffnung bleibt mir, daß es möglich seyn werde mit den Gewässern abwärts zu ziehen und bey Ihnen einzukehren. Nothwendig war es meine gegenwärtige Lage zu verändern. Freunde die mich forttreiben Versprechen das Beste.

Gedenken Sie mein am 16. August. Das Bild des Heiligen ist an die geistliche Behörde zu Bingen abgegangen mit dem Ersuchen, Ihnen von der glücklichen Ankunft desselben Nachricht zu ertheilen. Wir[113] wollen dieses Gemälde für kein vollendetes Meisterwerk ausgeben, aber es hat eine gute Anlage und ist vor Auge und Geist faßlich und wird den unbefangenen Blick ansprechen. Zeit und Weihrauchdampf mögen dann auch das ihrige thun.

Mögen Sie mir ein Wort nach Heidelberg schreiben, es findet mich entweder bey den Gebrüder Boisserée oder wird mir nachgesendet.

Von Ihren freundlichen Gesinnungen hat mir auch Herr von Stein gemeldet und sie für die seinigen erklärt. Wie doppelt werth mir Neigung und Vorsorge geprüfter Freunde in diesem Augenblicke seyn müssen, fühlen Sie selbst und empfinden meine Dankbarkeit, die ich auszudrücken nicht wage.

Und hier will ich denn den Gegenstand jenes frommen Bildes einigermaßen beschreiben, da es mir nicht gelang Ihnen eine Skizze davon, wie ich wünschte, zu übersenden:

Der heilige Rochus, in Pilgerkleidung, verläßt den schon von Dienern und Freunden völlig verlassenen Palast. Zu seiner Rechten sitzt ein Kind auf der Stufe, sich am Geschenk des silbernen Geräths und Perlengeschmeides, das ihm zu Theil geworden, erfreuend. Zu seiner Linken steht ein zu spät gekommenes um eine Gabe. Der Heilige schüttet freundlich die letzten Goldstücke aus dem Beutel, ja man erwartet daß er den Beutel selbst hingebe. Unten zu seiner Rechten springt ein frohes Hündchen, ihn zu [114] begleiten. Es kann hier nicht jener wundersam-hülfreiche Hund verstanden werden, der den Heiligen in späterer Zeit speiste, man will nur hier seine Sanftmuth und Wohlthätigkeit auch gegen Thiere andeuten, wodurch er in der Folgezeit auch wieder von solchen Geschöpfen nach Gottes Willen erquickt wurde. Die gebirgige Gegend, in die man über die Hofmauer hineinsieht, deutet auf die rauhen Pfade, die er betreten wird, der Zug Vögel auf Wanderschaft überhaupt.

Womit der Wanderer sich und seinen Heiligen empfiehlt

Weimar d. 19. July 1816.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Antonia Brentano. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-99B3-A