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An Charlotte von Stein

[Weimar, 10. – 12. September 1776.]

Ich schick Ihnen Lenzen, endlich hab ich's über mich gewonnen. O Sie haben eine Art zu peinigen [105] wie das Schicksaal, man kann sich nicht drüber beklagen so weh es thut. Er soll Sie sehn, und die verstörte Seele so in Ihrer Gegenwart die Balsamtropfen einschlürpfen um die ich alles beneide. Er soll mit Ihnen seyn – Er war ganz betroffen da ich ihm sein Glück ankündigte, in Kochberg mit Ihnen seyn, mit Ihnen gehen, Sie lehren, für Sie zeichnen, Sie werden für ihn zeichnen, für ihn seyn. Und ich – zwar von mir ist die Rede nicht, und warum sollte von mir die Rede seyn – er war ganz im Traum da ich's ihm sagte, bittet nur Geduld mit ihm zu haben, bittet nur ihn in seinem Wesen zu lassen. Und ich sagt ihm dass er es, eh er gebeten, habe. Ich schicke einen Schäckespeer mit, schicke hoffentlich den Wäckefield nach. Geniessen Sie rein der lieben Herbst Zeit, es scheint als wollt Sie der Himmel mit lieben Tagen seegnen. Ade. von mir hören Sie nun nichts weiter, ich verbitte mir auch alle Nachricht von Ihnen oder Lenz. Wenn was zu bestellen ist mag er's an Philip schreiben.

d. 10. Sept. 76.

G.


Lenz will nun fort, und ich hatte Bedencken Ihnen die vorhergehende Seite zu schicken, doch Sie mögen sehn, will mirs im Herzen manchmal aussieht, wie ich auch ungerecht gegen Sie werden kann. Ich danck Ihnen fürs erste Andencken von Ihrem Schreibtisch den ich damals wohl nicht wieder zu sehen hoffte,[106] aber nicht so. Gestern war ich in Belveder. Louise ist eben ein unendlicher Engel, ich habe meine Augen bewahren müssen nicht über Tisch nach ihr zu sehn – die Götter werden uns allen beystehn – die Waldnern ist recht lieb, ich war früh bey ihr, wir haben uns herumgeschäckert. Abends alle Durchlauchten in Tiefurt. Ihr Mann war guter Humor, machte possierliche Streiche mit der Oberhofmeisterinn. Ich hab die Hofleute bedauert, mich wundert dass nicht die meisten gar Kröten und Basilisken werden.

Addio, mein Herz ist doch bey Ihnen, liebe einzige die mich glücklich macht ohne mir weh zu thun. doch – freylich auch nicht immer ohne Schmerz. Ade. beste. d. 12. Sept. 76.

G.

Eben krieg ich noch der Wartensleben Brief. Dancke herzlich. es ist eine werthe Frau und thut recht wohl so dran. Sie hat ihre eigne feste Vorstellungs Art, und wer der nachhandelt, ist mir werth, wenn sie zugleich so liebevoll und so rein ist, wie die ihrige. Grüsen Sie sie in meinem Nahmen und sagen ihr ich würde künftig um ihrentwillen mehr auf die Philantropins aufmercken, dafür bät ich aber auch um die Nachricht die sie von Dessau erwartete.

Leben Sie wohl, dencken Sie mein. Ich sizze offt unter meinem Himmel in Gedancken an Sie, Sie helfen mich abwesend zeichnen, und einen Augenblick wo ich Sie recht lieb habe seh ich die Natur auch[107] schöner, vermag sie besser auszusprechen. Adieu. Wieland sagt meiner Zeichnung die iezt mache säh man recht an wen ich lieb hätte.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1776. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-99B9-D