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An Wilhelm Rehbein

[Concept.]

Sehr aufrichtig bedauere, mein Werthester, von Ihren Leiden zu hören, da Sie denn doch eigentlich zu unserm Heil der Gesundeste von uns allen seyn sollten. Suchen Sie ja vor Eintritt des Winters das Schlimmste los zu werden; leider haben wir schon jetzt und seit lange mit den Unbilden der Atmosphäre zu kämpfen. Das große Unheil, das vom Töpel ausging, dort und unterwegs soviel Unglück anrichtete und endlich Carlsbad auf lange Jahre zu Grunde warf, war mir eine schlechte Nachcur. Ich gab meine Fahrt auf, die ich meinen alten Freunden, den warmen Quellen sowohl, als anderen guten Seelen zum Besuch eingeleitet hatte. Mit meinem Marienbader Aufenthalt bin ich genugsam zufrieden, ob ich gleich nur, wegen des schrecklichen Wetters, vier- bis fünfmal badete. Merkwürdig ist, daß auch jene bewußte Schwärze sich bald einstellte, und nachher noch vierzehn Tage in Eger anhielt, ohne daß ich einen Tropfen Kreuzbrunnen weiter getrunken hätte; es ist doch immer problematisch genug.

[122] Mit meiner Wohnung, in die ich zufällig gerieth, war ich sehr zufrieden. Schöne Zimmer, und alle Bedürfnisse im Hause befriedigt, und was die Feuchtigkeit betrifft, so nahm sie erst überhand, wenn man die Fenster aufmachte und die Atmosphäre hereinließ, da zeigte denn das hygrometrische Papier freylich auf sehr große Nässe.

Ich läugne nicht, daß mein Zutrauen zu dem Kreuzbrunnen an Ort und Stelle sich vermehrt hat, auch gestehe, daß ich das Bad bey günstiger Witterung regelmäßig gebrauchen würde, mich für einer gewissen erstickenden Nummer sorgfältig hütend.

Herrn Director Gradl bitte schönstens zu grüßen und ihm für die fortgesetzten Gefälligkeiten zu danken, die mich beschämen würde, wenn ich es nicht so gründlich gut mit Marienbad meinte und auch von meiner Seite diese herrliche Anstalt zu fördern wünschte. Nun aber muntere Sie nochmals auf, sich selbst auf's beste zu berathen, damit wir Ihres Raths in nächst zu befürchtender Winterszeit niemals entbehren möchten. Empfehlen Sie mich unsern gnädigsten Herrschaften und überall, wo Sie es schicklich und löblich finden.

Jena den 30. September 1821.

[123]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An Wilhelm Rehbein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-99BA-B