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An Friedrich Schiller

Ihr Brief hat mich, wie Sie wünschen, bey der Ilias angetroffen, wohin ich immer lieber zurückkehre, denn man wird doch immer, gleich wie in einer Montgolfiere, über alles irdische hinausgehoben, und befindet sich wahrhaft in dem Zwischenraume in welchem die Götter hin und her schwebten. Ich fahre im Schematisiren und Untersuchen fort, und glaube mich wieder einiger Hauptpässe zu meinem künftigen Unternehmen bemächtigt zu haben. Die Ausführung wäre ganz unmöglich, wenn sie sich nicht von selbst machte, so wie man keinen Acker Waizen pflanzen könnte, da man ihn doch wohl säen [140] kann. Ich sehe mich jetzt nach dem besten Samen um und an Bereitung des Erdreichs soll es auch nicht fehlen, das übrige mag denn auf das Glück der Witterung ankommen.

Das wichtigste bey meinem gegenwärtigen Studium ist daß ich alles subjective und pathologische aus meiner Untersuchung entferne. Soll mir ein Gedicht gelingen, das sich an die Ilias einigermaßen anschließt; so muß ich den Alten auch darinne folgen worin sie getadelt werden, ja ich muß mir zu eigen machen was mir selbst nicht behagt; dann nur werde ich einigermaßen sicher seyn, Sinn und Ton nicht ganz zu verfehlen. Mit den zwey wichtigen Puncten, dem Gebrauch des göttlichen Einflusses und der Gleichnisse, glaube ich im reinen zu seyn, wegen des letzten habe ich wohl schon etwas gesagt. Mein Plan erweitert sich von innen aus und wird, wie die Kenntniß wächst, auch antiker. Ich muß nur alles aufschreiben damit mir bey der Zerstreuung nichts entfallen kann.

Die nächste Zeit die ich bey Ihnen zubringe soll alles schon weiter rücken und einige Stellen, von denen ich am meisten gewiß zu seyn glaube, will ich ausführen.

Es war nicht uninteressant mich einige Tage mit der Zauberflöte abzugeben und die Arbeit, die ich vor drey Jahren angefangen habe, wieder aufzunehmen und durchzukneten. Da ich nur handelnd denken kann, [141] so habe ich dabey wieder recht artige Erfahrungen gemacht, die sich sowohl auf mein Subject als aufs Drama überhaupt, auf die Oper besonders und am besondersten auf das Stück beziehen. Es kann nicht schaden es endlich auch in Zeiten mittlerer Stimmung durchzuführen. Der Herzog ist noch nicht hier, meine Abreise bleibt also noch einige Tage ausgesetzt, lange aber werde ich nicht verweilen. Denn da ich um Johanni wieder hier seyn muß und diesmal wenigstens 4 Wochen bey Ihnen zuzubringen wünsche, so darf ich nicht zaudern.

Krüger ist ein entsetzlicher Windbeutel. Sein Ballet soll nicht übel seyn; hier zu spielen wird er schwerlich die Erlaubniß erhalten, es sey denn nur auf einige mal.

Der Edle von Retzer war eine Erscheinung die man mit Augen gesehen haben muß wenn man sie glauben soll. Hat er Ihnen denn auch sein Gedicht an Gleimen vorgelegt?

Unger hat mir beyliegende neue Schriftprobe geschickt und verlangt daß ich ihm etwas in diesem kleinen Format zu drucken geben soll. Ich weiß jetzt gar nichts und das dringendste Bedürfniß wird immer der Almanach bleiben.

Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.

Möchten Sie doch auch Stimmung finden in Ihren Arbeiten weiter zu rücken! Ich will indeß [142] suchen die reisefertigen Tage so gut als möglich zu benutzen.

Weimar den 12. May 1798.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1798. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-99D2-4