1793

10/2967.

An Friedrich Heinrich Jacobi

W. d. 1. Febr. 1793.

Heute erhalte ich deinen Brief und schreibe dir einige Worte die ich schon diese Tage mit mir herumtrage. Mit der montägigen Post geht ein Packet ab, mit allerley wunderlichen Geburten des menschlichen[46] Geistes die ich zum Theil deiner Bibliotheck einzuverleiben bitte. Andre Wercke werden bereitet und folgen nach und nach. Ich lasse dir die Zeichnungen kopiren in denen Meyer meine theoretischen Farben Speculationen in Praxin zu setzen anfing. u.s.w. Hierbey ein kleiner Aufsatz eines Mannes von dem ich mir für deinen Sohn viel gutes verspreche. Über den Jenaischen Aufenthalt empfängst du nächstens Nachricht. Viel Danck für die Mittheilung des Briefes der Prinzess. Ich wünschte ich käme mir selbst so harmonisch vor wie dieser schönen Seele und wäre neugierig zu wissen wie sie von mir dächte wenn wir ein Jahr zusammen gelebt hätten, in den ersten Tagen ist und bleibt immer viel Schein. Ihr kurzer Umgang ist mir sehr wohltätig geworden und sie hat mir eine herzliche Neigung abgewonnen. Das kleine Gedicht, wie überhaupt alles was ich nach meiner Art vorbrachte hat sie mit der besten Art aufgenommen, und mir ein unbegränztes Vertrauen eingeflößt und bewießen. Es freut mich daß dir und deinem Kreiße das kleine Gedicht wohlgefällt. Wir können nichts machen als was wir machen und der Beyfall ist eine Gabe des Himmels.

Seit einigen Tagen habe ich gleichsam zum erstenmal im Plato gelesen und zwar das Gastmal, Phädrus und die Apologie. Wie sonderbar mir dieser fürtreffliche Mann vorkommt möcht ich dir erzählen, ich habe Herdern mit meiner Parentation zu lachen [47] gemacht. Darnach ging mirs aber wie jener Haußfrau, die Katze gewesen war und ihres Mannes Tafel gegen eine Maus vertauschte, ich habe eine Arbeit unternommen die mich sehr attachirt, von der ich aber nichts sagen darf biß ich ein Pröbchen schicke. Inzwischen war ich oft euretwegen in Sorgen und freue mich daß nun Hoffnung ist euch wo nicht ruhig doch sicher zu sehen. Die Aachner Begebenheiten sind albern genug. Leidet dein Sohn nicht bey diesen Händeln? Ich dancke dir für die Nachrichten die ich sorgfältig fortpflanzen werde. Sage mir manchmal ein Wort von deiner Lage und der Situation um dich her! Daß ich Georgen nicht wie dich und die übrigen in deinem Hause im Geiste kann wandlen sehen thut mir leid. Grüße ihn und gedencket mein. Gewöhnlich wenn ich aufstehe besuch ich euch und sehe jedes in seiner Art kommen und wesen. Ich bin wohl und glücklich, meine Kleine ist im Hauswesen gar sorgfältig und thätig, mein Knabe ist munter und wächst, Meyer ist fleißig und wir halten den bewußten Amor recht fest zwischen uns. Meyer arbeitet einige treffliche Zeichnungen zu der neuen Quart Ausgabe von Wielands Wercken. Wenn die Platte von des Alten Portrait fertig ist erhältst du gleich einen Abdruck, der dir um einiges besser als der rohe Probedruck gefallen wird. Im Ganzen aber ist nicht zu läugnen was du tadelst. Unter uns gesagt liegt aber der Fehler darin daß Lips nicht Zeit genug auf eine solche [48] Platte wenden kann. Denn es gehört viel Zeit con amore einen Gegenstand natürlich darzustellen, wenn man den Schein davon in kürzerer Zeit durch Manier allenfalls vorbilden kann.

Lebe recht wohl und theile meine Grüße mit vollen Händen aus, nicht so bedächtlich wie Klärchen die Frühstücke in Häufchen neben einander legt, welches doch an ihr als einer klugen Jungfrau nicht zu tadlen ist.

Empfiel mich allen Freunden. Für Herrn Grafen Nesselrode leg ich Montags ein paar Bände von Alfieri bey. Lebet wohl, gedencket mein beym Morgen und Abendkuße. Lebt wohl.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1793. An Friedrich Heinrich Jacobi. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-99D7-9