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An Wilhelm von Humboldt

[Concept.]

Weimar am 15. Mai 1797.

Wie viel Dank bin ich Ihnen schuldig, werthester Freund, daß Sie, bey so vielen eignen Geschäften, meinem Gedicht noch eine solche Aufmerksamkeit widmen wollen, die ich selbst darauf zu wenden nicht im Stande wäre; wie sehr bin ich Ihnen verpflichtet für die feinen kritischen Bemerkungen, da ich an meinen Sachen, sobald die Stimmung, die sie hervorbrachte, vorüber ist, so wenig zu thun im Stande bin.

Auf einem beyliegenden Blatte finden Sie die Veränderungen, die ich versucht habe, und es soll ganz von Ihnen abhängen, ob Sie solche genehmigen, das Alte beybehalten, oder etwas eigenes, Ihrer Überzeugung gemäßes, einschalten wollen.

Der Druck ist freylich nicht sehr reizend, allein da es einmal Kalenderformat seyn soll, und da man noch überdieß wegen schon fertiger Decke genirt ist, so muß er denn wohl hingehen, übrigens ist er denn doch deutlich und nicht unangenehm zu lesen. Da es bey diesem Gedicht auch mit um die augenblickliche Ausbreitung zu thun ist, so war diese Kalendergestalt,[121] nach der jetzigen Lage der Dinge, immer das bequemste Vehikel.

Zur zweyten Ausgabe würde ich die lateinische Schrift wählen, da sie heiterer aussieht, und da auch wir nun schon einen deutschen Druck haben, ich glaube denn doch zu bemerken, daß der gebildete Theil des Publikums sich durchaus zu lateinischen Lettern hinneigt.

Auf den Kupfern, welche die Musen vorstellen sollten, bestehe ich nicht weiter, so wie es auch scheint, daß Vieweg sich wegen der Landschaften beruhigt. Es traf sich mit diesen Blättchen gar zu sonderbar, daß sie gerade Vorstellungen enthalten, die mir äußerst verhaßt sind, und die ganz antipodisch zu meiner Denk- und Dichtart stehen. Böttiger, der mir manches von Vieweg gebracht hat, erwähnt derselben nicht weiter, und ich wünsche, daß es auch dabey verbleibe.

Die vier nächsten Musen gehen heute über acht Tage ab. Erlaubt es Ihnen Ihre Zeit, so gönnen Sie auch diesen einen aufmerksamen Blick. Wie manches wird noch darinnen anzuzeichnen seyn! ob ich gleich selbst nicht einmal die Schreibfehler darinn mehr gewahr werde, besonders da ich es vor einigen Tagen wieder vorgelesen habe, wodurch mir alles Interesse auf eine ganze Zeit wieder erschöpft ist.

Heute über acht Tage denke ich denn auch wieder nach Jena zu gehen, da ich denn den Schluß des neunten Gesanges bald zu finden hoffe, besonders da die Erfüllung des Friedens auch meine Arbeit begünstigt.

[122] Möchte ich Sie doch auch daselbst, bey Ihrer Frau Gemahlin und Ihrem Herrn Bruder finden, wie wir Sie dem Geist nach gegenwärtig denken können.

An Herrn Unger will ich wegen des Agamemnons gern ein Wort gelangen lassen. Ich wünschte gar sehr, daß Sie auf jede Weise aufgemuntert würden, in Ihrer Arbeit fortzufahren.

Könnten Sie mir einige schöne Stickmuster, zu Ofenschirmen, leicht gezeichnet und hübsch colorirt, verschaffen; so würde ich die Auslage mit Dank ersetzen. Die Zeichnung brauchte nur in kleinem Format zu seyn, ich würde sie hier schon in's Große übertragen lassen.

Leben Sie recht wohl und haben Sie nochmals meinen besten Dank. Ich bin sehr neugierig, was aus der Theilung des obern Italiens werden wird, da eine Republik bestehen, und der Kaiser wegen der Niederlande entschädigt werden soll. Wahrscheinlich hat man noch zu guter letzt mit den Venezianern Händel angefangen, um ihnen ihre Zeche hoch anzurechnen. Das alles muß sich in kurzer Zeit entscheiden, denn man wird bald sehen, was die Österreicher in Besitz nehmen, wenn sich die Franzosen zurückziehen, und dann werden wir auch bald näher einsehen, was aus unsern eignen Wandrungen werden kann. Nochmals das beste Lebewohl.

W. d. 14. May 1797.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1797. An Wilhelm von Humboldt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-99DF-A