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An Wilhelm Reichel

Ew. Wohlgeboren

habe zuvörderst anzuzeigen, daß die durch ein Schreiben vom 10. Januar angekündigte Sendung vor einigen Tagen wohlbehalten angelangt, wornach ich denn eine weitere Mittheilung der folgenden Aushängebogen seiner Zeit erwarte.

Mit dem nächsten Postwagen gehen die ersten Scenen des zweyten Theils von Faust an Dieselben ab, und ich bin überzeugt, daß Sie bey'm Abdruck dieses Gedichtes den maître en page eben so wie bey Helena gefällig dirigiren werden. Im Ganzen läßt sich wohl soviel davon sagen, daß dasjenige, was von einzelnen Personen gesprochen wird, hervorzurücken, dagegen, was von einer Masse und Menge gesprochen wird, wie z.B. das Gemurmel, welches auch kürzere Verse sind, hineinzurücken sey. Eben so ist auch alles, was als Lied erscheint oder lyrisch vorgetragen wird, wie der größte Theil des Carnevals, gleichfalls einzurücken. Allein es kommen zweydeutige Fälle vor, wo der Geschmack das Urtheil zu leiten [260] hat, inwiefern nämlich aus irgend eine Stelle die Aufmerksamkeit des Lesers zu heften seyn möchte, welche denn hienach einzurichten wären. Doch kommen dergleichen selten vor und ich überlasse sie gänzlich Ihrer Dijudicatur.

Auch überlasse, die Rechtschreibung, wenn sie etwa von der eingeführten abwiche, vorkommenden Falls abzuändern.

Die angeführte Stelle aus Epimenides Erwachen sollte freylich halte und nicht hatte gedruckt seyn.

Die angekündigte Novelle folgt nächstens; mir ist sehr daran gelegen, daß bey obwaltenden Umständen sie die dießmalige Sendung schließe.

ergebenst

Weimar den 22. Januar 1828.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Wilhelm Reichel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-99E7-5