5/1462.

An Carl Ludwig von Knebel

Die Zeichnungen sind glücklich angelangt und ich danke dir dafür. Der Weidenbaum ist vortreflich von der Hand des Waterloo; die Kirche ist gar leicht und geistreich gewiß auf dem Plaz entworfen. Wann du manchmal so etwas erhaschest so schike mir es zu.

Von dem Abbé Raynal, der uns einige Tage sehr angenehm unterhalten hat, werden dir deine Correspondentinnen wohl manches schreiben. Er stikt voll der angenehmsten Anekdoten die er mit dem französisch-philosophischen Weltgeiste unter einander verbindet. Er sagt den Königen die Wahrheit und schmeichelt den Frauen, läßt sich aus Paris verbannen, und weiß sich sehr gut in ieden kleinen Hof zu schiken. Ich habe, wie du dir leicht vorstellen kannst, sehr viele Ideen durch ihn komplettiret. Hier lege ich ein Antwortsschreiben des Kaisers an den Churfürsten von Trier bey, das du vielleicht noch nicht gesehen hast. Wenn es autentisch ist, wie mich ein und anderer Umstand vermuthen läßt, so ist es meiner Meinung nach doch ein wenig zu schnakisch. Zwar läßt sich es einem Kayser schweer vorschreiben, wie er die Sache behandeln soll.

Die Inschriften die du auf beyliegenden Blättern findest, werden ehestens, in steinerne Tafeln eingegraben, erscheinen.

[319] Wir haben auf des Abbé Raynal histoire philosophique des Indes eine Gesellschaft gegründet, die wöchentlich dreymal zusammenkommt und es durchlesen will. Wir nehmen die Karten dazu und ein ieder trägt zu Erklärung für die Damen das seinige bey. Es ist wenigstens ein Band auf eine Weile und wir wollen sehen wie es hält. Hast du Wielands Übersezung der Horazischen Episteln gesehen? Ich bin neugierig ob das Publikum ihm den verdienten Dank davor abtragen wird. Wenn man sie laut in Gesellschaft liest, fühlt man, wie glücklich er mit dem einen Fuß auf dem alten Rom und mit dem andern in unsrem deutschen Reiche stehet, und sich angenehm hin und herschaukelt. Ich fürchte man wird sich, wie gewöhnlich an einige Stellen hängen, wo ihn der gute Geist verlaßen hat, und ich gestehe selbst wenn man das lateinische dazu nimmt so erhält dieses so ein Übergewicht, daß man den Werth der Übersezung fast zu gering angeben mögte.

Herders Geist der hebräischen Poesie habe ich noch nicht gesehen.

Lebe wohl und laß mich bald wieder von dir hören.

Weimar den 5. May 1782.

Goethe.


Könntest du mir ohne deine Beschweerde eine Schilderung des Anspacher Hofes machen, vornehmlich auch derer die in Geschäfften gelten. Vielleicht brauchen wir das Haus balde. Lass dich aber nichts mercken.

[320]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1782. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9A10-E