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An Carl Ludwig von Knebel

Mit den Leuten des Herzogs sende ich dir, mein lieber Freund, ein paar Worte mit dem besten Dank für deinen letzten Brief. Es war mir sehr angenehm deinen freundschaftlichen Zuruf aus der Ferne zu hören.

Von mir kann ich dir gute Nachricht ertheilen, daß mir das Töplitzer Wasser sehr wohl bekommt. Es war aber auch nöthig: denn ich kam von Carlsbad verstimmt und verdrießlich hieher. Das schlechte Wetter der letzte vierzehn Tage hatte nicht wenig [377] beygetragen, mir jenen sonst so lieben Ort zu verleiden. Hier ist nunmehr das schönste Wetter, die Gegend ist heiter und frey, an der mittägigen Seite des Erzgebirges, und hat an der andern Seite das wunderliche, basaltische, porphyrschiefrige, pseudovulkanische, sogenannte Mittelgebirg. Der Bilinerfels besonders ist prächtig anzusehen, wegen der ungeheuren, ernsthaften und durch manche malerische Theile interessanten ausgesprochenen Gestalt. Wir haben einen sehr vergnügten Tag an dessen Fuße zugebracht und bringen einige Zeichnungen mit.

Übrigens ist die Gegend mit Städtchen, Schlössern, Dörfern, Klöstern und Lustorten besäet, so daß es an Spazierfahrten nicht fehlen kann. Man beklagt sich hier über den Mangel an Geselligkeit, ich kann aber nichts als Gutes auch von dieser Seite von Töplitz sagen. Freylich macht die Gegenwart des Herzogs, daß ich viele Menschen sehe und an viele Orte hinkomme, die mir sonst fremd wären.

Der Herzog befindet sich auf das Bad auch ganz wohl; ich wünschte nur, daß die vielen Jagden und andern starken Bewegungen nicht einen Theil des Guten wieder wegnehmen.

In Carlsbad hatte ich fast keinen Umriß gemacht; hier aber bin ich durch die neuen Gegenstände wieder angeregt worden. Nur hält es leider nicht lange bey mir nach, und wenn auch einiges glückt, so kann doch nichts rechts daraus werden.

[378] In etwa 8 Tagen will ich auch von hier weg und auf Dresden gehen, wo ich so lange nicht war, und sodann über Freyberg nach Hause, da ich dich denn aufs Herzlichste zu begrüßen denke.

Du hattest nach Carlsbad mir von ungarischen wollnen Decken geschrieben, welche daselbst gefunden. Man sagt in Prag gäbe es dergleichen, wohin ich leider nicht gekommen bin. Die Tyroler ledernen hingegen und dito Kissen waren sehr gäng und gäbe. Sie sind aber, außer auf der Reise, eigentlich von geringem Gebrauch.

Von unsern Bekannten sind wenige hier. Her von Dankelmann und Frau, geborne Jagemann; Demoiselle Luise Seidler war nur auf kurze Zeit erschienen. Die Prinzeß Solms, Schwester der Königin von Preußen, hat uns viel Sorge gemacht. Sie war sehr krank und einige Tage gefährlich; itzt ist sie wieder auf gutem Weg, worüber wir uns alle freuen. Nach dir aber hat besonders Frau von Berg gefragt, welche der Fürstin Solms zu assistiren hieher kam. Sie erinnerte sich deiner Eigenheiten so gut, daß man wohl sah, du hattest Eindruck auf sie gemacht.

Eine höchst interessante Bekanntschaft habe ich an dem König von Holland gemacht, mit dem ich in Einem Hause wohne. Er sieht seinen Bruder ähnlich genug. Sein Charakter ist eine höchst respectable Herzensgüte, wovon ich dir im Zusammenhang manches[379] zu erzählen denke. Ich bin mehrmals bey ihm. Er ist sehr freundlich und zutraulich, wie er denn überhaupt eine königliche Offenheit hat, wie Sophokles sagt: dem König allein ziemt's zu sagen, was er denkt. Wie man ihn genauer kennen lernt, so sieht man wohl, daß die Gründe seiner Abdication mit ihm geboren sind.

Noch so viel Platz ist übrig, um von Prince de Ligne ein Wort zu sagen. Dieser ist in seinem 78. Jahre noch so Hof- und Weltmann, noch so heiter und leichtsinnig als jemals. Er belebt durch seine Anmuth jede Gesellschaft in der er sich befindet.

Nun lebe wohl, erfreue dich des schönen Herbstes, in welchem ich dich glücklich wieder zu sehen hoffe.

Töplitz den 30 August 1810.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1810. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9A35-B