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An August Herrmann

[Concept.]

[Jena, 7. April 1818.]

Das hiebey zurückgehende Manuscript wäre schon längst wieder in Ihren Händen, hätte ich nicht gewünscht ein freundliches und bedeutendes Wort anzufügen; leider aber wenn man in Kunsturtheilen redlich und zugleich verständlich seyn will muß man zu weit ausholen, und dieß erlaubt die kurz gemessene Zeit nicht. Lassen Sie mich aber wenigstens etwas [130] sagen das Ihrem Thun und Vornehmen vielleicht nicht ganz unfruchtbar bleibt. Wenn deutsche Jünglinge und Männer von mittlerm Alter sich nothgedrungen fühlen Empfindungen, Begebenheiten, Umgebungen rhythmisch auszudrücken so ist nichts natürlicher und nothwendiger in der Welt.

Bedenke man aber nur wie viel tausend Musikliebhaber sich auf ihrem Instrument fleißigst beüben ohne auf öffentliche Conzerterscheinung Anspruch zu machen. Hier haben wir die Paralelle zur Hand. Wer poetischen Drang in sich fühlt folge ihm, bilde ihn aus im Kreise seiner Familie, seiner Freunde, und hüte sich vor dem großen Publicum, in dessen Wellen er sehr bald verschlungen wäre.

So will ich sodann auch ohne Schmeicheley sagen daß ich Ihnen gebirgischen Pfaden, die mir nicht fremd sind, gern gefolgt bin, weil etwas Wirkliches, tüchtig Gesehenes aus Ihren Zeilen uns entgegentritt. Wie aber hieraus ein eigentliches Gedicht sich entwickelte, darüber müßte man einige Zeit an Ort und Stelle manches Zwiegespräch führen und hinterdrein würde noch über die Technik des deutschen Hexameters, mit den ächten Contrapunktisten, neue Verhandlung einzugehen seyn. Leider sage ich Ihnen hiedurch nichts was Ihnen nützen kann; halten Sie aber das fest daß alles was Sie in dieser Art vornehmen zuerst Ihnen und Ihren Freunden Freude bringe, bis irgend ein Kenner zufällig in Ihren Kreis [131] tritt, und so sind Sie schon auf dem rechten Standpunkt.

Das beyliegende gedruckte Heft erfolgt blos zufällig weil es mir zur Hand ist, sollte es auch Sie gerade nicht selbst interessiren, so ist in Ihrer Nachbarschaft so mannichfaltige Bildung daß Sie vielleicht einem Freunde damit Freude machen.

Noch eine Lebensregel nehmen Sie geneigt auf: senden Sie ja kein Manuscript weg ohne es abgeschrieben zurück zu behalten: es giebt so viele Zufälligkeiten in der Welt daß man sich und andern die Verlegenheit eines Verlustes zu ersparen alle Ursache hat.

Jena den 31. März 1818.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1818. An August Herrmann. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9A6B-6