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An Johann Heinrich Meyer

Mein hiesiger Aufenthalt fängt schon an gesegnet zu seyn, ob ich gleich die ersten Tage immer sachte zu Werke gehen muß, damit ich statt guter Stimmung nicht eine falsche Schwingung hervorbringe.

Mit Cellini komme ich immer mehr ins Reine und mit den gleichzeitigen Menschen und Umständen immer mehr ins Klare. Bald werde ich Ihnen vorlegen können was ich von Ihnen zu erbitten habe.

Die neue Abschrift Ihres Aufsatzes gehe ich durch und übergebe sie sodann an Schiller. Gestern Abend[100] haben wir schon über das erste Stück Conferenz gehalten. Ich bat ihn seine Erinnerungen schriftlich aufzusetzen, denn ich denke es wird besser seyn sie dereinst mit abzudrucken als die eigne Arbeit darnach abzuändern. Verschiedene Vorstellungsarten die sich nicht widersprechen, sondern nur von verschiedenen Seiten auf einen Punct zielen, werden unserm Werke mehr Anmuth geben als wenn wir sie selbst vereinigen und die Sache gleichsam dadurch abschließen wollen.

Lassen Sie doch um Ihr Madonnenbild einen leichten Kasten machen, damit es gelegentlich herüber gebracht werden kann.

Schreiben Sie mir auch den Titel des Buchs das wir etwa von Göttingen zu erlangen suchen müßten.

Auch wünschte ich, daß Sie, wenn Sie herüber kommen etwa Rafaels Bibel und noch einige andere Kupfer mitbrächten, damit man Schiller noch etwas Sinnliches vorlegen könnte.

Denken Sie doch auch gelegentlich an das Monument für die Beckern, ich will indessen die Elegie die ich ihr gelobt habe auch auszuarbeiten suchen.

Vom Wallenstein habe ich nun drey Acte gehört, er ist fürtrefflich und in einigen Stellen erstaunend. Ihn, aus seiner jetzigen freyern Form, auf die Beschränktheit des deutschen Theaters zu reduciren, ist eine Operation von der ich noch keinen deutlichen [101] Begriff habe und die sich nur mit einer grausamen Schere wird machen lassen.

Über manches theoretische haben wir uns auch schon erklärt, und das mit desto größerer Zufriedenheit als bey vollkommner Übereinstimmung in den Hauptpuncten nur von einer wechselseitigen lebendigen Ausbildung der Theile zu thun seyn kann.

Über die Art und Weise wie unsere Kunst- und Naturbetrachtungen in die Welt zu schicken seyen ist auch schon manches verhandelt worden.

Sehen Sie Herrn Ober Consistorial Rath Böttiger so danken Sie ihm für die Übersendung des Schröderschen Briefes. Wir müssen wohl geduldig abwarten was der eigne Geist dieses wackern Mannes ihm zu unsern Gunsten einflößt. Ich bin überzeugt daß ihn die Rolle des Wallensteins, wenn er sie einmal gespielt hat, länger auf dem Theater halten wird als er selbst glaubt. Sie von ihm spielen zu sehen wäre glaube ich das höchste was man auf dem deutschen Theater erleben könnte.

Leben Sie recht wohl und fahren Sie in Ihrem Fleiße fort, ich will sehen ob ich in dieser absoluten Stille des Jenaischen Schlosses auch wieder etwas hervorzubringen im Stande bin.

Meine beyden epischen Gegenstände, sowohl Tell als Achill, haben Schillers großen Beyfall. Nochmals ein Lebewohl.

Jena am 23. März 1798.

G. [102]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1798. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9B0C-1