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An Carl Franz Anton von Schreibers

[Concept.]

Hochwohlgeborner!

Das längere Außenbleiben der angekündigten Sendung sollte uns nicht leid thun, wenn wir nicht erfahren müßten, daß eine Krankheit, welche Hochdieselben ergriffen, dabey in Betrachtung käme; möge, bey dem großen und herrlichen Wirkungskreise, in [232] welchem Sie unablässig thätig sind, auch physische Kraft immer zur Hand seyn, an die so ununterbrochener Anspruch genommen wird.

Ich muß aufrichtig gestehen daß ich mit Bewunderung gelesen und wieder gelesen habe die Instuctionen, welche der brasilianische Expedition ertheilt worden; denn bey einem solchen Unternehmen, wo gränzenlose Zufälligkeiten weniger zu hoffen als zu fürchten sind, muß ein solcher heiliger Anker das Beste thun, daß man sich immer fest an der Hauptabsicht halte, wenn auch so manches irre macht und aus dem Wege treibt. Ich habe mich mit einigen Freunden an diesen Kostbaren Blättern ergötzt und erbaut; gern hätt ich sie weiter mitgetheilt, aber Gebrauch und Mißbrauch berühren sich jetzt so nahe, daß Vertrauen nur unter den Zuverlässigsten statt finden kann.

Nun hab ich noch etwas zu melden und anzufragen. Durch die Gefälligkeit des Herrn Ritter von Giesecke, dessen Verdienste um die Kaiserlich Königliche Sammlung mir aus den mitgetheilten Blättern erst recht klar geworden, erhalte eine sehr angenehme, bedeutende Sammlung von grönländischen und andern Mineralien, die eine Lücke meines kleinen Cabinetts gar freundlich ausfüllen. Ew. Hochwohlgeboren Theilnahme möchte ich diese überraschende, höchst angenehme Gabe gern zuschreiben, und da ich nicht weiß wo gedachter wackere und wohlwollende Mann sich gegenwärtig befindet; [233] so nehm ich mir die Freyheit einen dankenden Brief an denselben hier beyzulegen, indem die Sendung durch das Wiener Haus Gruhner und Dörftling an mich befördert worden, an welche allenfalls dieses Schreiben geneigstest abzugeben wäre.

In der jetzt etwas aufgeregten lieben Musenstadt Jena beschäftigen wir uns noch immerfort mit dem unversieglichen Naturstudium. Wir besitzen glücklicherweise noch Männer, die an diesem Felsen fest halten und sich nicht durch die Welle des Tags losreißen und hin und her treiben lassen. Die Ankunft der zugesagten Naturmerkwürdigkeiten wird abermals über uns alle ein neues Leben verbreiten.

Ihro Königliche Hoheit, mein gnädigster Herr, befindet sich gegenwärtig an Lahn und Rhein recht wohl und zufrieden. Ew. Hochwohlgeboren Andenken konnte in diesen Tagen auf das freundlichste erneuern.

Die abschriftlichen Instructionen für Brasilien sind wohl verwahrt in meinen Händen; ich lege sie bey nächster Sendung mit Dank wieder bey.

Meine gute Schwiegertochter empfiehlt sich dankend zum allerschönsten. Bey der nunmehr sich annähernden Erfüllung unserer Wünsche möchte ihre Ungeduld das Verlangen der Naturforscher wohl übersteigen, doch wird eine schmackhafte Befriedigung desto höhern Genuß gewähren.

Verehrungsvoll.

Jena den [17.] July 1819.
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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1819. An Carl Franz Anton von Schreibers. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9B39-E