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An Philipp Seidel

[29. December.]

Hier kommen wieder Briefe, die du nach den Adressen besorgst. Hrn. Legations Rath Bertuch dancke für die mir überschickte Pandora und sage ihm: ich werde Carnevals Masken zeichnen lassen und sie ihm mit der Beschreibung schicken.

Deine Crystallisationsbeobachtungen habe ich wieder gelesen. Du beobachtest genau und gut, auch ist das Entzücken, bey einer unvermutheten Entdeckung, die uns viel aufschließt, ein gutes Zeichen. Fahre nur immer fort. Deine Erklärungs Art scheint mir zu [319] mechanisch, so wohl hier als bey der Vegetation. Die Art zu seyn der Dinge ist auf eine unglaubliche und geheimnißvolle Weise bestimmt und umschrieben, wenn gleich alle Wesen mit einander in Communication stehen.

Daß in einer Kochsalz Solution mehrere Gestalten von Chrystallen entstehen mag wol daher kommen daß die Solution nicht rein ist. Jede Beymischung, wie du selbst bemerckt hast, verändert die Gestalt der anschießenden Körper wir können daraus schließen: daß gewisse Eigenschaften der Cörper gewisse Formen bestimmen, einzeln diese Form, verbunden eine andre und so bleibt der Natur eine unzählige Combination und Modification übrig, ohne daß ihre Grundpfeiler erschüttert werden. Ob die Art wie es zugeht recht erklärt ist kann ich nicht sagen, ich habe zu wenig darüber nachgedacht und nachgelesen, denn es ist in den neuern Zeiten unsäglich viel über diese Materie geschrieben worden. Ich bin jetzt mit der Form des menschlichen Körpers beschäftigt, davon man ausser Rom nur einen unvollkommnen Begriff haben kann. Nur leider daß die Zeit die überall geschwind vergeht, hier doppelt und dreyfach zu eilen scheint. Es wird gewöhnlich als ein Alter mit Flügeln vorgestellt, hier sollte man sie gar als Vogel bilden. Lebe wohl und liebe mich.

G. [320]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Philipp Seidel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9B53-1