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An Friedrich Schiller

Das mir übersandte Manuscript habe sogleich mit großem Vergnügen gelesen, ich schlurfte es auf Einen Zug hinunter. Wie uns ein köstlicher, unsrer Natur analoger Tranck willig hinunterschleicht und auf der[202] Zunge schon durch gute Stimmung des Nervensystems seine heilsame Wirckung zeigt, so waren mir diese Briefe angenehm und wohlthätig, und wie sollte es anders seyn? da ich das was ich für recht seit langer Zeit erkannte, was ich theils lebte, theils zu leben wünschte auf eine so zusammenhängende und edle Weise vorgetragen fand. Auch Meyer hat seine große Freude daran, und, sein reiner, unbestechlicher Blick war mir eine gute Gewähr. In diesem behaglichen Zustande hätte mich Herders beyliegendes Billet beynahe gestört, der uns, die wir an dieser Vorstellungs Art Freude haben, einer Einseitigkeit beschuldigen möchte. Da man aber im Reiche der Erscheinungen es überhaupt nicht so genau nehmen darf, und es immer schon tröstlich genug ist mit einer Anzahl geprüfter Menschen, eher zum Nutzen als Schaden seiner selbst und seiner Zeitgenossen, zu irren, so wollen wir getrost und unverruckt so fort leben und wircken und uns in unserm Seyn und Wollen ein Ganzes dencken, um unser Stückwerck nur einigermassen vollständig zu machen. Die Briefe behalte ich noch einige Tage, um sie nochmals mit Meyern zu genießen.

Hier folgen die Elegien. Ich wünschte daß Sie sie nicht aus Händen gäben, sondern sie denen, die noch über ihre Admissibilität zu urtheilen haben vorläßen. Alsdann erbitte ich mir sie zurück, um vielleicht noch einiges zu retouschiren. Finden Sie etwas zu erinnern; so bitte ich es anzuzeigen.

[203] Die Epistel wird abgeschrieben und folgt mit einigen Kleinigkeiten bald, dann muß ich eine Pause machen, denn das dritte Buch des Romans fordert meine Aufmerksamkeit. Noch habe ich die Aushängebogen des ersten nicht, sobald sie anlangen sind sie bey Ihnen.

Wegen des Almanachs werde ich Ihnen den Vorschlag thun: ein Büchelchen Epigrammen ein oder anzurücken. Getrennt bedeuten sie nichts, wir würden aber wohl aus einigen Hunderten, die mit unter nicht producibel sind, doch eine Anzahl auswählen können die sich auf einander beziehen und ein Ganzes bilden. Das nächstemal daß wir zusammenkommen, sollen Sie die leichfertige Brut im Neste beysammen sehen.

Leben Sie recht wohl und lassen mich unter den Ihrigen gegenwärtig seyn.

W. d. 26ten Octbr. 94.

Goethe.


Schreiben Sie mir doch was Sie noch etwa zu den Horen von mir wünschen und wann Sie es brauchten. Die zweyte Epistel wird in der ersten Stunde guten Humors auch fertig.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1794. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9B7C-7