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An Carl Ludwig von Knebel

Endlich, theuerster Freund, wird mir ein dringendes Anliegen erfüllt, welches ich so oft seit vielen Jahren ausgesprochen habe, deine Übersetzung nämlich des Lucrez gedruckt zu sehen. Herrn Göschen will ich den schönsten Dank sagen, daß er sich hierin, wie in so manchem andern, bereitwillig erwiesen unsere Muse zu begünstigen.

[125] Nun bleibt mir aber nichts zu wünschen übrig, als, dieses wohl bedachte und durchgearbeitete Unternehmen auch von unserm Publicum freundlich aufgenommen zu sehen.

Du hast, mein werthester Freund, wie ich von früher Zeit her weiß, die Absicht, diese Ausgabe mit einem Vorwort zu begleiten, und ich fühle gar wohl, daß du über die Art und Weise, wie dieses geschehen könne, einigermaßen in Zweifel schweben müssest. Wie ich jedoch darüber denke, will ich ohne weiteres in einem, hoffentlich, passenden Gleichnisse ausdrucken.

Wenn wir irgend einen bedeutenden Reisenden auswärtigen Gönnern und Freunden zu empfehlen gedenken, so drückt man zuerst die Eigenschaften aus, die ihn günstig einführen und würdigen Personen auch würdig darstellen können, überläßt aber alsdann, ohne umständliche Schilderung, ihnen selbst, inwiefern sie sich näher anschließen und sich mit seinen Eigenheiten nach und nach befreunden wollen. Sollte dieser Vorschlag auf den gegenwärtigen Fall anzuwenden seyn, so wünsche von dir, der du diesen Freund innig kennst, das Nähere zu erfahren.

treulichst

Weimar den 14. Februar 1821.

Goethe.


Was ich jedoch, wenn ich einen methodischen Gang einer solchen Unterhaltung denke, am ersten beachtet wünschte, ist Folgendes:

[126] Was unsern Lucrez als Dichter so hoch stellt und seinen Rang auf ewige Zeiten sichert, ist ein hohes tüchtig-sinnliches Anschauungsvermögen, welches ihn zu kräftiger Darstellung befähigt; so dann steht ihm eine lebendige Einbildungskraft zu Gebot, um das Angeschaute bis in die unschaubaren Tiefen der Natur, auch über die Sinne hinaus, in alle geheimsten Schlupfwinkel zu verfolgen. Dieses beides wäre vor allen Dingen durch Hindeutung auf die wichtigsten Stellen zu belegen.

G.


Nachschrift.

So eben erhalte die wirklich sehr schön gerathenen Druckbogen. Ich will sie leicht heften lassen, weil es ohne dieses schwer, ja beynahe unmöglich ist, das Lateinische mit der Übersetzung zu vergleichen, welches man denn doch nicht unterlassen kann.

Von denen Briefen, welche du mir in dieser Angelegenheit schreibst, brauchst du keine Abschrift zu nehmen, denn ich formire ein Fascikel Acten, welches man zuletzt, nach dem bewußten Zweck, redigiren kann.

Weimar den 14. Februar 1821.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9C0F-4