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An Thomas Johann Seebeck

Ew. Wohlgeboren

für den lehrreichen Brief und die fördernde Sendung zu denken, darf ich nicht länger unterlassen; dadurch aufgeregt habe unsern, zwar braven, aber immer zaudernden Mechanikus genöthigt, den schon seit einem Jahr vorgehabten Apparat aufzustellen, wodurch ich denn im Stande war, alles was Sie mir zugedacht vollständig zu nützen. Die mitgesendeten Platten besonders zeigen das Phänomen zum allerschönsten.

Durch den von Ihnen entdeckten Einfluß entdeckten Einfluß einer schnellen Verkühlung schließen sich diese Phänomene [206] genau an unsere übrige Farbenlehre. Es scheint hier etwas im Innern des Glases auf der Oberfläche geschieht. Die durch schnelle Abkühlung verursachte Undulation fixirt sich im Glase, und das aufgehobene Gleichgewicht erstarrt in seiner Polarität; durch Spiegelung wird diese innere Differenz manifestirt, wie auch bey den durch Druck entstandenen Farben in einem Falle Spiegelung, und im andern durchfallendes Licht nöthig ist. Höchst merkwürdig daß die geviertheilten Tafeln ihrer Form gemäß, in dem ganzen Quadrat gleiches Phänomen hervorbringen, wodurch auf die Ähnlichkeit mit den Magneten hingedeutet wird. Ferner bringt uns die Einwirkung verendeter Temperatur den Turmalin in Gedanken, so wie die Ähnlichkeit mit den Chladnischen Figuren uns auf die Schwingungsknoten des Tones hinweist.

Und so hätten wir denn auch diese Juwele in den bekannten Kreis zum vollständigen Schmuck abermals eingefaßt. Ich freue mich herzlich auf alles was Sie auf ihrem Wege noch erobern werden, und bewundere nur Ihre Geduld, mit welcher Sie die vier-und achtkantigen Lichtstrahlen bearbeiten mögen. Es giebt einen kein Wunder, daß die Geschichte der Wissenschaften wie ein Flözgebirge aussieht, da man durchsinken muß, um zu reichen Lagern zu gelangen. Die Woge der Lebendigen verfährt wie das Meer, das den Bernstein, den es auswirft, gleich wieder mit Dünensand [207] bedeckt. Wie sehr mir denn auch Ihre Aufmerksamkeit auf alles, was in diesen Fächern öffentlich erscheint, zu Statten kommt, muß ich danckbar erkennen. Alle Nationen sind doch darin gleich, daß Mitwerber sich einander den Tag zu verkümmern suchen; deswegen muß ein jeder, der irgend etwas Ernstliches zu leisten denkt, wo nicht an die Nachwelt, doch wenigstens an morgen appeliren.

Möge Sie mir gelegentlich den kleinen Aufsatz über die Doppelbilder des Kalkpaths mit der Tafel zurücksenden, ich habe keine Copie davon. Haben Sie den Rizetti nicht mehr nöthig, so wünscht ich diesen auch unserer Bibliothek wieder zu erstatten.

Wegen Comparetti kann ich soviel melden.

Und so muß ich denn noch zum Schluß eines für uns sehr günstigen Ereignisses gedenken. Es war mir nämlich schon längst bewußt, daß Herr Staatsrath Schultz in Berlin sich mit der Farbenlehre beschäftige, und nun hat er die Gefälligkeit gehabt, mir sowohl im Allgemeinen als Besondern seine Überzeugungen und Arbeiten mitzutheilen. Er hat sich ausschließlich mit dem Physiologischen beschäftigt, ist tiefer in's Subject zurückgegangen und hat wunderwürdig schöne Ansichten erobert. Mehr sage ich nicht, weil es mich zu weit führen würde. Erhalte ich die Erlaubniß, das Heft entweder öffentlich oder wenigstens im Stillen mitzutheilen, so erhalten Sie es vor allen.

Weimar, den 23. Febr. 1815.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Thomas Johann Seebeck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9C67-D