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An Christian Gottlob Voigt

Ew. Excellenz

erhalten endlich wieder einmal einige schriftliche Worte, die ich Ihnen hundert ja tausendfältig diese Zeit her zugewendet. Der fatalste katarrhalische Zustand hat mich vierzehn Tage für die nächste Nähe unbrauchbar gemacht; an eine Wirkung in die Ferne war gar nicht zu denken. Das Bibliotheksgeschäft ging indessen glücklich fort, weil der einmal eingeleitete Gang nur verfolgt werden durfte. In kurzem wird das Fach der Naturgeschichte aufgestellt seyn, als ein Versuch ob die übrigen auf gleiche Weise behandelt werden [201] können. Rath Vulpius berichtete wohl daß die Localität, ob zwar einfach eingerichtet, doch das Geschäft und den künftigen Gebrauch der Bibliothek höchlich begünstigte. Bey allem was ich vornehme frage ich Ew. Excellenz immer im Geiste, und glaube, nach so vielen Jahren glücklichen Mitlebens, immer geneigten Rath und günstige Zustimmung zu finden.

Auch das Museumsgeschäft soll hoffe ich bald in Rechnungsklarheit kommen. Der gute Kühn hat, als Hypochondrist, so vielerley übereinander schichten lassen daß es schwer wird alles rein zu entwickeln. Doch muß es sich machen. Er hat das Manual und die Belege mit nach Heusdorf genommen und die Art wie Rent-Amtmann Müller die Sache angreift verspricht schon ein ganz klares Johannis Quartal und so die folgenden. Die Geschäfte in sich gehen durchaus einen löblichen Gang; sind sie auch bis in's Einzelne der Ausgaben schnell übersehbar, so bleibt nichts zu wünschen übrig.

Gar sehr freut mich daß Osann und Heß fortfahren ihre Zeit gut anzuwenden und Ew. Excellenz Beyfall zu verdienen. Nichts kann wünschenswerther seyn als junge Leute zu sehen die sich einem bedeutenden Fach mit Ernst und Anhaltsamkeit widmen.

Die englisch literarischen Notizen folgen mit dem besten Dank. Dort wird im größten Maasstab die ächte Staatsmaxime durchgesetzt: daß die Regierung[202] dasjenige anschaffen, zusammenhalten und verewigen muß was der Einzelne mit vielem Fleiß gesammelt hat.

Der Besuch unseres alten Freundes Seebeck war diese Tage höchst erfreulich und belehrend, nur über eins habe ich mich zu beschweren: er offenbarte das Geheimniß des wundersamen Guck-Rohres. – Der Mensch ist wohl ein seltsames Wesen! Seitdem ich weiß wie es zugeht, interessirt mich's nicht mehr. Der liebe Gott könnte uns recht in Verlegenheit setzen, wenn er uns die Geheimnisse der Natur sämmtlich offenbarte, wir wüßten für Untheilnahme und langer Weile nicht was wir anfangen sollten.

Einige Dutzend gegossne und geprägte Medaillen aus Erz sind mir von Mayland gekommen. Trefliche Männer! Einige von den besten Künstlern.

Noch eine wundersame Ausfüllung der unendlich langen Tage ist mir zufällig geworden. Ich befinde mich in einer Fülle von Schriften und Wercken den Zustand der vereinigten Staaten von Nordamerika entwickelnd. Es ist der Mühe werth in solch eine wachsende Welt hinein zu sehen.

Verzeihung dem Einsiedler! der Sie auf seiner Zinne nur einmal der schönen Aussicht theilhaftig machen möchte!

Jena d. 19. Jun. 1818.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1818. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9C68-B