24/6709.
An Johann Peter Langer
Ew. Wohlgeboren
haben seit geraumer Zeit nichts unmittelbar von mir vernommen, ob mir gleich mancher von München kommende Fremde von Ihrer und Ihres Herrn Sohnes fortdauernder Thätigkeit das Beste zu erzählen gewußt; nun scheint es daß ein neues Jahr die Deutschen wieder auffordern wolle sich, mehr als bisher geschehen, einander mitzutheilen, und sich zu gemeinsamen Zwecken zu vereinigen. Dieses wird gegenwärtig die dringende Pflicht derer, welche zu Hause bleiben, da der größte Theil unserer Jugend mit löblichem Eifer in das Feld strömt und nicht daran denken kann wie der Herd erhalten seyn will, an welchen sie denn doch dereinst zurückzukehren hoffen. Eine solche Betrachtung steht hier um so mehr an ihrem Platze, als gerade die militarisch-patriotische Bewegung bey uns den Tag ausfüllt und wir, sowohl mit den Fortwandernden, als mit denen, welche wider Willen zurückbleiben sollen, unsere liebe Noth haben. Einer der letzteren ist die eigentliche Veranlassung des gegenwärtigen Schreibens.
Der hiesige Kupferstecher Müller, der sich durch mancherley gute Arbeiten, besonders aber durch die Herausgabe mehrerer Kupfer zu Schillerischen Scenen bekannt gemacht, hat einen Sohn, einen geschickten jungen Künstler, dessen angebornes und schon geübtes [106] Talent viel Gutes verspricht; auch er war von dem Verlangen hingerissen für's Vaterland zu fechten; allein sein zarter Körper und andere Betrachtungen haben die höhere Behörde veranlaßt, sein patriotisches Erbieten abzulehnen. Unglücklicherweise sind auch gerade in diesem Augenblicke unsere Kunstanstalten verwaist, so daß mir, der ich sie sonst so gern förderte, fast nichts übrig bleibt als die Inventarien zu künftigem Gebrauch in Ordnung zu halten. Eine doppelte Ungeduld ergreift daher gedachten jungen Mann, diejenigen aber, die sich für ihn interessiren, wünschen nichts lebhafter als ihn an einem Orte zu wissen, wo er sich, in seiner Kunst fortschreitend, sammeln und erheitern könne.
Das nähere Dresden ist leider nicht mehr ein Zufluchtsort der Künste, das entferntere München dagegen, in jedem Betracht, ein höchst wünschenswerther Aufenthalt, wohin man den jungen Künstler sogleich senden würde, wenn nicht in gegenwärtiger Zeit, wo der einzelne wenig vermag, und das Ganze äußerst belastet ist, wo der Untere wie der Obere nur an sich selbst denken kann, wo derjenige, der sonst andere unterstützte, selbst wankt, wenn nicht in einer solchen Zeit wegen seinem dortigen Auskommen einiges bedenken stattfände, und eine vorhergängige Frage veranlaßte.
Gedachter junge Künstler würde ganz zwar nicht entblößt nach München kommen, indem er sowohl von seinem Vater, als von Freunden sich einiger Unterstützung zu getrösten hat, man möchte ihn aber doch nicht auf's [107] Geradewohl in eine solche Ferne senden, und ich ersuche Sie daher, mein werthester Herr Director, mir anzuzeigen, wieviel ein dergleichen junger Mensch, der ein bescheidenes, arbeitsames Leben gewohnt ist, in München allenfalls das Jahr über, zu seinem eigentlichen häuslichen Auskommen bedürfte.
Möchten Sie mir dabey bekannt machen: ob die Theilnahme an den Lehr-Anstalten und Kunststudien frey gegeben wird? oder ob und was allenfalls dafür zu erlägen wäre?
Die bisherige gute Aufführung des jungen Menschen läßt hoffen, daß er auch auswärts, besonders unter guter Leitung nicht ausarten werde, und ich würde ihn glücklich schätzen, wenn Ew. Wohlgeboren und Ihr Herr Sohn ihm eine freundliche belehrende Aufmerksamkeit schenken wollten. Auch mir würde diese Gelegenheit zu besonderem Vortheil gereichen, indem ich dadurch das Glück gewinnen würde mit Denenselben ein früheres Verhältniß wieder anzuknüpfen, und wie vormals in ruhiger Zeit, so gegenwärtig in der bewegten, zu Bildung des Künstlers etwas beyzutragen, damit die, an und für sich unzerstörliche Kunst über den kritischen Augenblick hinüber gerettet werde.
Mich zu geneigtem Andenken bestens empfehlend
Ew. Wohlgeb.
ergebenster Diener
J. W. v. Goethe. [108]